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Vor fast 15 Jahren veröffentlichte Julian Assange auf seiner Enthüllungsplattform Wikileaks geheime US-Dokumente – und wurde wegen Spionage angeklagt. Nach fünf Jahren Isolationshaft in Großbritannien gibt es nun einen Deal mit den USA.

Bis zum 26. Juni 2024 drohten Julian Assange maximal 165 Jahre Haft in den USA. Grund: Mehrere tausend vertrauliche Dokumente, in denen es um US-Kriegshandlungen in Afghanistan und Irak ging, wurden auf seiner Plattform Wikileaks veröffentlicht.

Die USA warf ihm Geheimnisverrat vor, was dort sogar mit der Todesstrafe bestraft werden kann. Dann die Wende: Nach einem Deal mit den USA kam Assange jetzt aus dem Gefängnis frei und konnte in seine Heimat Australien zurückkehren. Zehn Jahre Rechtsstreit gehen damit zu Ende. Aber wie konnte es so weit kommen?

Wer ist Julian Assange wirklich?

Holger Stark ist, wie Julian Assange, selbst Journalist. 2010 lernt er ihn kennen. Stark arbeitet damals für den Spiegel und strebt eine Kooperation von Wikileaks und dem Spiegel an. Er erklärt, dass Assange sowohl als Journalist, aber auch als politischem Aktivist etwas daran lag, die US-Dokumente zu veröffentlichen. Er habe Julian Assange als einen sehr klugen Mensch erlebt, der "in den politischen Aktivismus hineingeboren" wurde. Sein Vater ist, wie Julian Assange selbst, hochintelligent. Seine Mutter demonstrierte in der Hippie-Bewegung der 68er-Jahre gegen den Krieg.

"Julian Assange ist ein irre politischer Mensch, der schon immer sehr kritisch nach Amerika geblickt hat."
Holger Stark über seinen Eindruck nach einem Treffen mit Assange

Julian Assange verfolgt damals mit Leidenschaft sein Ziel, die geheimen Dokumente zu veröffentlichen und der Welt einen Einblick in die Wirklichkeit des Kriegs zu geben. Wikileaks hatte den "total radikalen Gedanken", alles zu veröffentlichen, sagt Holger Stark. Er selbst wäre allerdings dagegen gewesen, weil diese Vorgehensweise nicht dem traditionellen Journalismus entsprach, der vorsichtiger und selektiver vorgeht. Holger Stark erinnert sich, dass er sich aufgrund dessen mit Assange über Inhalte von Veröffentlichungen im Spiegel gestritten hat.

Bereits 2010 sei sich Assange über das Risiko bewusst gewesen, dass er für diese Veröffentlichungen eventuell von den USA als Spion verfolgt werden würde, weiß Holger Stark.

Wikileaks und die Folgen

Die Plattform Wikileaks wurde 2006 von Assange gegründet. Es ist eine Enthüllungsplattform, auf der Dokumente von Whistleblowern veröffentlicht werden können, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Von Juli bis Oktober 2010 veröffentlichte Wikileaks über 400.000 Dokumente der Whistleblowerin Chelsea Manning. In den Dokumenten geht es unter anderem um die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen durch Mitglieder der US-Armee im Krieg.

"Wir haben in den Dokumenten gelernt, dass etwa 150.000 Zivilisten im Krieg ums Leben gekommen sind – eine unglaublich große Zahl, die nicht veröffentlicht wurde."
Holger Stark über die wichtigsten Enthüllungen von Wikileaks

Chelsea Manning ist damals im Irak für die US-Armee als Geheimdienstanalystin stationiert und hat deswegen Zugriff auf viele geheime Dokumente. Die Daten spielt sie Assange zu, um die Kriegsverbrechen aufzudecken. Sie wird gefasst, unter schlimmsten Bedingungen inhaftiert und wegen Spionage gegen ihr Heimatland in den USA verurteilt.

"Da [bei Wikileaks] sind schon eine Menge Skandale und Zahlen drin gewesen."
Holger Stark über die Brisanz der Dokumente, die veröffentlicht wurden

Julian Assange wiederum wird in der Zeit von der schwedischen Polizei wegen Vergewaltigungsvorwürfen verfolgt und in Großbritannien verhaftet. Die USA erheben den Vorwurf des Geheimnisverrats durch Spionage. Bei einer Auslieferung an Schweden wäre eine weitere Auslieferung von Assange an die USA wahrscheinlich gewesen. Daher flüchtet Assange 2012 aus seinem Hausarrest in die Botschaft von Ecuador in London, wo er Asyl bekommt. 2019 entzieht ihm die Botschaft dann allerdings das Asyl.

Deal mit Vor- und Nachteilen

Julian Assange sitzt daraufhin für fünf Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis in Großbritannien in Isolationshaft. Dort geht es ihm physisch und psychisch immer schlechter. Immer wieder droht die Ausweisung in die USA.

Assanges Verteidigung strebt einen Deal an. Und der kommt auch...

"Nach der Logik des Gesetzes ist er jetzt ein Krimineller."
Holger Stark über die Folgen des Deals von Julian Assange

Der Deal mit den USA wird am 25. Juni 2024 öffentlich gemacht: Assange bekennt sich schuldig. Im Gegenzug bekommt er eine Strafe von fünf Jahren Gefängnis. Da er diese Zeit aber bereits in Großbritannien abgesessen hat, ist er nun ein freier Mann.

Assange ist frei – trotzdem eine Niederlage für die Freiheit

Doch durch das rechtskräftige Urteil gilt der Chef der Whistleblower-Plattform nun als Krimineller. Holger Stark bezeichnet den Deal deswegen nicht nur als Gewinn – weil Julian Assange nun frei ist – sondern auch als Niederlage für die Freiheit, die Öffentlichkeit ungestraft zu informieren.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Aus dem Gefängnis entlassen
Julian Assange: Was der Freiheitsdeal bedeutet
vom 25. Juni 2024
Moderator: 
Nik Potthoff
Experte: 
Holger Stark, Journalist
Gesprächspartner: 
Johannes Döbbelt, Deutschlandfunk-Nova-Reporter