• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

Mitte August 2021 übernehmen die Taliban nach 20 Jahren wieder die Macht im Land. 100 Tage später reist Journalistin Natalie Amiri nach Afghanistan. Sie will wissen, wie das neue Leben unter den Taliban vor allem für die Frauen aussieht. Natalie trifft auf Menschen in Schockstarre – und zum ersten Mal auf die Taliban selbst.

Die Ring Road, die sich vom südlichen Kandahar quer durchs Land bis in die Hauptstadt Kabul zieht, galt knapp 20 Jahre lang als die gefährlichste Straße der Welt. Ständig zündeten die Taliban sogenannte IEDs, das sind unkonventionelle Sprengfallen. "Die gesamte Straße ist voll von riesengroßen Schlaglöchern und Kratern", beschreibt die Journalistin Natalie Amiri die Szenerie.

"Auf der Haben-Seite ist definitiv, dass es mehr Sicherheit gibt, weil man nicht mehr bekämpft wird."

Sie war im November 2021 auf der Ring Road unterwegs. Angst hatte sie keine, sagt sie, denn Anschläge gibt es auf der Straße inzwischen nicht mehr. Seit die Taliban am 15. August 2021 wieder die Macht in Afghanistan übernommen haben und es keine internationalen Truppen mehr im Land gibt, die bekämpft werden, gibt es auch keine Explosionen mehr.

Auch die Tatsache, dass die Korruption im Land zurückgegangen ist und viele Warlords das Land verlassen haben, verbucht die Journalistin als eine der wenigen positiven Entwicklungen. Doch die "Haben-Seite" ist im Vergleich zu den Dingen, die sich mit der Machtübernahme zum Schlechten verändert haben, ziemlich kurz.

Den Frauen in Afghanistan droht eine schwere Zukunft

Vor allem für die Frauen Afghanistans habe sich das Leben radikal geändert, sagt Natalie. "Es gibt kein Frauenministerium mehr, keine Verfassung mehr, die die Frauen schützt“, erklärt sie. Viele Frauen hätten ihre Jobs verloren, vor allem jene, die in der Öffentlichkeit standen.

"Stell dir mal vor, morgen sagt dir jemand, du darfst das Haus nicht mehr verlassen, du darfst deinen Job nicht mehr ausführen und musst dich verhüllen."

"So werden die Frauen jetzt wieder an den Herd verbannt", sagt sie. Mädchen ab der siebten Klasse dürfen nicht mehr zur Schule gehen, alleinstehende Frauen ab 18 Jahren zwangsverheiratet.

Anfang Mai 2022 verkündeten die Taliban außerdem, dass alle Frauen nun Burka tragen müssen in der Öffentlichkeit. Natalie hat während ihrer Reise mit vielen afghanischen Frauen gesprochen. Im Moment sieht sie die Zukunft für diese Frauen sehr düster.

Natalie ist zum ersten Mal auch auf die Taliban selbst getroffen, sie interviewte auch deren Pressesprecher. Wenn sie ihre Drehgenehmigung bei Interviews auf den Straßen vorzeigte, wurde sie in Ruhe gelassen. "Die Taliban haben immer noch ein Interesse daran, dass sie gut im Westen dastehen", sagt die Journalistin. Doch sie glaubt, dass sich der moderate Teil der Taliban nicht durchsetzen konnte.

"Ich denke, dass der Hardliner-Teil der Taliban gewonnen hat. Sie haben das Sagen.
Natalie Amiri, Journalistin

Was Natalie dennoch Hoffnung gibt für Afghanistan und was jede*r einzelne von uns tun kann, um die Menschen dort zu unterstützen, hört ihr im Deep-Talk-Podcast.

Wir freuen uns über eure Mails an mail@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Journalistin Natalie Amiri
"Es ist sehr viel düsterer geworden auf Kabuls Straßen"
vom 18. Mai 2022
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Natalie Amiri, ARD-Journalistin