Die Autoindustrie steckt in einer Krise: Gewinne brechen ein, Werke schließen, tausende Arbeitsplätze sind bedroht. Was bedeutet das für viele Jobs in Deutschland? Und wie denken Menschen darüber, die in der Branche gerade ihre Ausbildung machen?
37 Prozent Gewinneinbrüche bei BMW, 31 Prozent bei VW, 28 Prozent bei Mercedes – die Autobauer haben in den letzten Wochen und Monaten massive Gewinneinbrüche verkündet. Jetzt meldet auch Audi 33 Prozent Einbußen im Vergleich zum Vorjahr.
Die deutschen Autobauer stecken in der Krise
Laut Berechnungen des Beratungsunternehmens EY sind allein im vergangenen Jahr fast 20.000 Jobs in der deutschen Autoindustrie weggefallen. Das verunsichert gerade auch die jungen Beschäftigten. "Es ist gerade nicht die leichteste Zeit", sagt Tim Wagner, Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Audi in Ingolstadt.
Tim hat 2018 seine Ausbildung zum Mechatroniker bei Audi angefangen. Motiviert habe ihn einerseits die hohe Ausbildungsvergütung, vor allem aber die Sicherheit eines großen Unternehmens und die vielen beruflichen Möglichkeiten. Vom Handwerk bis zur Softwareentwicklung bietet Audi zahlreiche Karrierewege und Flexibilität, sagt er. Wie schon sein Vater würde auch Tim am liebsten bis zur Rente bei Audi bleiben.
"Immer mehr Leute haben eine gewisse Verdrossenheit kritischen Themen gegenüber. Und das merken auch wir hier in der Ausbildung."
Der Stellenabbau bei Audi mache wenig Hoffnung, besonders für junge Menschen, die noch lange arbeiten müssen. Seit Jahren folgt eine Krise auf die nächste. Während Corona war der Arbeitsmarkt noch einigermaßen stabil, sagt Tim, doch das hat sich geändert. Viele spüren Unsicherheit und meiden zunehmend belastende Themen der Branche, auch in der Ausbildung. Die Unsicherheit über die Zukunft beschäftigt den Nachwuchs – der wisse oft nicht genau, was ihn erwartet.
Motivation aufzubringen, sei nicht immer einfach, aber entscheidend. Wenn Jugendvertreter oder Betriebsräte jammern, kippe die Stimmung. Wichtig sei, den Kollegen Hoffnung zu geben und den Optimismus nicht zu verlieren. Es gab gute Zeiten und fette Jahre, jetzt ist es schwierig, doch es wird wieder aufwärts gehen, meint Tim, "Daran versuche ich mich festzuhalten und dass auch meinen Kollegen mitzugeben".
Technik, Software, Akkus – Autobauer hinken hinterher
Die Autoindustrie leidet unter schwacher Nachfrage in Deutschland, wirtschaftlicher Unsicherheit und einem schwierigen Markt in China, beschreibt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven das Dilemma. VW zum Beispiel hat in der Vergangenheit 40 Prozent des Umsatzes in China gemacht – das ist vorbei.
Das Land hat über 100 Autoproduzenten, deutsche Hersteller bieten kaum konkurrenzfähige E-Autos, so Nicolas. Sie hinken bei Technik, Software und Akkus hinterher. Und hohe Energiekosten und Bürokratie verschärfen die Krise zusätzlich, ergänzt er.
"Wir hinken auch bei der Technik weit hinterher. Da geht es nicht nur um die Software, sondern auch um die Akkus, um Rohstoffe, um die Maschinen, um die Akkus zu bauen."
Die Autoindustrie zählt zu den wichtigsten Branchen Deutschlands. An jedem Arbeitsplatz hier hängen zwei bis drei weitere Jobs, erklärt der Nicolas Lieven – etwa im Handel, Handwerk oder Dienstleistungssektor. Von einem Autokonzern am Standort profitieren auch viele andere Branchen dort. Deshalb sind Jobverluste in der Automobilindustrie weitreichender, als sie auf den ersten Blick scheinen, erläutert er.
Der Druck auf die Branche ist enorm
Der Stellenabbau in der Automobilbranche ist ein schleichender Prozess, der sich weiter beschleunigen wird, prognostiziert der Wirtschaftsjournalist. Manche Experten vermuten sogar, dass einige Autozulieferer aufgeben werden oder ihre Standorte verlagern – vor allem in die USA, nach Asien oder China.
Trotz Gewinneinbrüchen machen die deutschen Autohersteller aber immer noch Profite: Audi etwa rund vier Milliarden, Mercedes zehn Milliarden oder BMW acht Milliarden Euro jährlich. Die Firmen haben auch jüngst noch hohe Dividenden ausgeschüttet. Noch geht es nicht um das aus Deutscher Autohersteller, sagt der Wirtschaftsjournalist deshalb, aber der Druck ist sehr hoch.
"Wir reden jetzt noch nicht vom Verschwinden, aber der Druck ist einfach wirklich immens."
Was die Branche laut Nicolas Lieven braucht: vor allem gute Produkte, günstige E-Autos mit hoher Reichweite, ein dichtes Ladenetz und günstigen Strom. Doch der Weg dorthin ist lang, so der Wirtschaftsjournalist.
Die Branche setzt dabei auch auf die Politik – die Hoffnung: niedrigere Energiekosten, weniger Bürokratie und eine mögliche Neubewertung der EU-Entscheidung, dass ab 2035 keine Neuwagen mehr verkauft werden, die mit Benzin oder Diesel fahren. Kaufprämien für E-Autos bleiben allerdings umstritten, da sie teils zu künstlich hohen Preisen führten.
Zukunft der E-Mobilität
Viele Hersteller haben stark in E-Mobilität investiert und stehen nun unter Druck, weil die Nachfrage stockt. Die Enttäuschung ist groß, einige Firmen schreiben rote Zahlen in ihren E-Sparten und hinterfragen den Kurs. Nicolas Lieven hofft, dass die Autobauer trotzdem ihren Weg beibehalten, denn E-Autos gelten weiterhin als Zukunftstechnologie.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de