Immer mehr Männer und Frauen in Japan sind Single - und immer mehr wollen gar keinen Partner. Anders als in vielen westlichen Ländern gelten Singles in Japan aber nicht als "gescheitert", sagt Buchautor Felix Lill.
Jeder zweite Japaner ist Single. Bei Frauen zwischen 18 und 34 Jahren haben 60 Prozent keinen Partner, bei Männern im selben Alter sogar fast 70 Prozent. Die Zahlen hat das Nationale Institut für Bevölkerungsforschung erhoben. Japan ist zum Land der Singles geworden. Das liegt allerdings nicht unbedingt daran, dass viele verzweifelt und vergeblich suchen: Die Hälfte der Singles will nämlich überhaupt keinen Partner.
Felix Lill, 32, aufgewachsen in Hamburg, lebt seit fünf Jahren in Tokio. Er arbeitet als freier Journalist, promoviert gerade und wollte wissen, wieso das so ist - wieso Single-Sein in Japan ein "Trend" ist? Seine Erkenntnisse hat er in seinem Buch "Einsame Klasse. Die Zukunft gehört uns Singles" veröffentlicht.
Romantische Prägung spielt in Japan eine Rolle
Felix sagt: Auch in Japan haben sich die Rollenbilder verändert. Frauen sind unabhängiger geworden, müssen nicht unbedingt heiraten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Wichtiger ist seiner Meinung nach aber die unterschiedliche romantische Prägung. "Die haben wir im Westen sehr stark", sagt Felix. "In Japan blieb die eigentlich immer Kulturimport."
"Es geht nicht darum, einen Seelenverwandten zu finden. Es geht darum, eine Familie zu gründen und die durchs Leben zu führen."
Geheiratet wird in Japan eher aus ökonomischen, nicht aus romantischen Gründen, sagt Felix. Vielen sei es aber auch einfach zu anstrengend, eine Beziehung zu führen.
Anders als in vielen westlichen Ländern wird es in Japan deutlich gelassener gesehen, wenn jemand Single ist. "Als Person gescheitert ist man nicht dadurch, dass man keinen Partner findet. Selbst wenn man irgendwann mal einen gesucht hat."
"Ein Single zu sein, ist in Japan besser, weil es allgemein anerkannt ist und nicht mit einem Makel verbunden wird."
Umfragen zufolge sind die Menschen außerdem nicht weniger glücklich als vor vielen Jahren, als es noch weniger Singles gab, sagt Felix.
"Hosts" spielen den perfekten Partner
Wer sich einsam fühlt, kann in Japan sogenannte "Hosts" treffen - gemietete Liebhaber. Diese Hosts spielen den Freund oder die Freundin vor, die es nicht gibt. Es geht ausdrücklich nicht um Sex, sagt Felix - auch wenn das natürlich trotzdem passiere.
Der perfekte Host ist einer, der immer zuhört, der immer charmant ist, der sich alles merkt und viele Dinge schon vorher weiß - im Grunde also der perfekte Partner. Natürlich nutzt nicht jeder Single einen solchen Host – aber diejenigen, die es tun, schämen sich auch nicht dafür und berichten relativ offen, sagt Felix.
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