Eine Diözese der katholischen Kirche in Italien will am Samstag (07./8.10.2018) den Mafiosi in der Region Kalabrien Ablass gewähren – sofern sie der Mafia abschwören.
Die Diözese Locri-Gerace in Süditalien lädt zu einem Gebettag gegen die Mafia. Zu diesem Anlass sollen Mitgliedern der Mafia Sünden erlassen werden, wenn sie zum Marienheiligtum Nostra Signora dello Scoglio in Kalabrien kommen und der Mafia abschwören. Wir haben mit dem Journalist und Mafia-Experten Andreas Ulrich darüber gesprochen, was es mit der Aktion der katholischen Kirche dort auf sich hat und ob sie sinnvoll ist.
Ablass als PR-Aktion der katholischen Kirche
Tatsächlich bekämen die Mafiosi nicht alle ihre Sünden erlassen – das Angebot der Kirche sei eher eine Art Nachlass auf das Sündenregister, sagt Andreas Ulrich. Ein bisschen sei das so wie mit den Punkten in der Flensburger Verkehrssünderdatei.
"Das kann ich mir schwer vorstellen. Ich will es nicht ausschließen, aber ich halte das für eine PR-Aktion der Kirche."
Mafiosi sollen also quasi ein paar Punkte erlassen bekommen und damit ihre Zeit im Fegefeuer verringern, wenn sie der Mafia abschwören. An die Wirksamkeit des Angebots glaubt Andreas Ulrich nicht – ihm scheint es wahrscheinlicher, dass dies eine PR-Aktion der Kirche ist.
Traditionell enge Verbindung zwischen Mafia und Kirche
Tote Mafiosi, die in allen Ehren begraben werden, Geldspenden der Mafia an die Kirche oder Priester, die möglicherweise unter dem Einfluss der Mafia stehen: Kirche und Mafia haben traditionell einer sehr enge Verbindung, erklärt Andreas Ulrich.
"Es gibt traditionell eine sehr enge Verbindung zwischen der Mafia und der Kirche."
Die Mafia nutze eine Reihe von kirchlichen Sakramenten für ihre eigenen Zwecke: Wer beispielsweise in die Mafia aufgenommen werden will, der schwört auf den Erzengel Gabriel. Dazu kommt, dass die Kirche auch wichtig für das Ansehen der Mafia-Mitglieder in den Gemeinden ist, sagt der Mafia-Experte: Der Pate sitze beispielsweise vorne in erster Reihe bei der Messe oder trage bei Prozessionen die heilige Madonna mit.
Und die Kirche nehme den reuigen Mafiosi genauso auf wie den braven Bürger, das schließe sich grundsätzlich nicht aus - frei nach dem Motto: "Mag auf Erden herrschen wer will. Die geistige Macht gehört uns."
Reggio Calabria ist eine Hochburg der Mafia
Die Diözese Locri-Gerace liegt in der Reggio Calabria, die eine der mächtigsten und größten Herrschaftsbereiche der Ndrangheta ist. Zu dieser Region gehört auch der Ort San Luca – hier kommen die Täter der Mafia-Morde in Duisburg imJahr 2007 her. Und hier steht auch das Kloster Santa Maria di Polsi, in dem sich einmal im Jahr wichtige Mafia-Bosse treffen, um ihre Strategie für die kommenden Jahre festzulegen.
"Das ist dort ein sehr großes Problem, dass der Staat dort quasi keinen Einfluss hat. Die ordnende Kraft des italienischen Staates ist in diesem Teil Italiens kaum zu spüren. Dafür ist die Mafia mächtig wie nie zuvor. "
Wahrscheinlich ist die Mafia in dieser Region mächtiger als der Staat, und wahrscheinlich nimmt sie Einfluss auf weite Teile des täglichen Lebens, vermutet Andreas Ulrich. Den Staat könne man hier kaum spüren, aber die Mafia sei mächtiger denn je.
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