90 Sekunden – so lange braucht eine Rakete aus dem Libanon, um den Norden Israels zu treffen. Ofer arbeitet deshalb häufig in einem Bunker. Er erzählt, wie die Sorge vor einem Angriff aus dem Libanon und dem Iran seinen Alltag völlig verändert hat.
Etwa 42 Kilometer sind es von Ofers Haus in Israel bis zur libanesischen Grenze. Das bedeutet: Ofer und seine Familie haben anderthalb Minuten, um sich bei einem Abschuss einer libanesischen Rakete in einen Bunker zu retten.
Die ganze Familie ist in Alarmbereitschaft. Damit er die Luftangriffswarnungen hört, schaltet Ofer inzwischen selbst im Auto das Radio aus. Seine Kinder wissen, wie sie sich bei einem Luftalarm verhalten müssen, wenn sie zum Beispiel mit dem Hund rausgehen. Auch Lebensmittelrationen haben sich viele Bewohner*innen Israels für den Angriffsfall angelegt, berichtet Israel Korrespondent Jan Christoph Kitzler.
"Wenn man einkaufen geht und die Kinder gehen mit dem Hund spazieren, dann sagt man ihnen: ihr wisst, es gibt einen Bunker am nächsten Platz und dann gibt es noch einen Bunker an der Brücke und so weiter."
Der Grund für die Alarmbereitschaft der israelischen Bevölkerung: Der Libanon hat Vergeltung und damit auch Raketenangriffe gegen Israel angekündigt. Denn, Ende Juli wurde in Beirut ein Hisbollah-Kommandeur bei einem gezielten israelischen Angriff getötet. Nur wenige Stunden später wurde ebenfalls Hamas-Chef Ismail Hanije bei einem Anschlag in Teheran im Iran umgebracht.
Der Iran und die libanesische Hisbollah sind außerdem eng miteinander und auch mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas verbunden. Die hatte am 7. Oktober 2023 Israel überfallen. Beim Terrorangriff wurden mehr als 1.200 Menschen getötet, rund 240 Menschen wurden zudem von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt worden, darunter auch deutsche Staatsbürger.
Weil der Iran, der Libanon und die Hamas verknüpft sind, muss es also eine Reaktion auf die Angriffe Israels geben, erklärt Jan Christoph Kitzler. Umso höher ist daher die Bedrohung für Ofer und seine Familie wirklich einen Angriff zu erleben.
Israels Strategie
Die israelische Regierung hat die Angriffe im Libanon und Iran mit den Taten der Hamas begründet, erklärt Jan-Christoph Kitzler. Die Meldungen über die Situation im Gazastreifen sorgen jedoch auch für eine unruhige Stimmung in Israel. Zuletzt gab es einen großen Angriff auf eine Schule, in der sich Mitglieder der Hamas zwischen Zivilist*innen versteckt gehalten haben sollen.
Es kamen nach Angaben eines Sprechers des von der Hamas kontrollierten palästinensischen Zivilschutzes im Gazastreifen mindestens 93 Menschen ums Leben. Israels Regierung erklärte, dass bei dem Angriff jedoch ebenfalls etwa 20 ranghohe Terrormitglieder getötet werden konnten.
"Man muss jetzt ein Zeichen setzen und sagen, das wird nicht geduldet."
Die Gewalt eskaliert immer mehr. Die Hamas möchte das der Libanon und Iran in den Konflikt mit einsteigen, erläutert Jan Christoph Kitzler. Es könnte zu einem großen Krieg zwischen allen Parteien kommen. Daher gibt es militärische Vorbereitungen von Israel auf einen Großangriff anderer Länder. Das israelische Militär baut die schon starke Luftabwehr noch weiter aus. Und auch amerikanische Militärhilfe wird eingefordert. Die USA haben unter anderem ein Atom-Uboot geschickt.
Friedensplan oder Kriegsplan
Im Hintergrund laufen auf Hochtouren diplomatische Bemühungen vieler Länder, um einen großflächigen Krieg zu verhindern. Die Hamas lässt vermelden, dass sie über den amerikanischen Friedensplan in drei Schritten verhandeln würden. Ob das wirklich stimmt, ist fraglich, findet Jan-Christoph Kitzler.
Benjamin Netanjahu hat sich jedoch in Israel mit sehr weit politisch rechten Politiker*innen eingelassen. Diese sind gegen ein Friedenseinkommen, sagt Jan Christoph Kitzler.
Eine international sanktionierte Friedenskonferenz ist die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft in dieser Situation, findet wiederum Ofer. Er hofft auf Solidarität mit den Menschen die in der Region leben, damit so eine Konferenz zustande kommt.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de