Europa? Total islamisch. Und das ist gut so! Meint der US-Ökonom Hossein Askari, der einen Index entwickelt hat, mit dem er Länder daran misst, in welchem Maße sie wirtschafts- und gesellschaftspolitische Vorgaben des Koran umsetzen. Sein Ziel? Nicht weniger als Verständnis und Aussöhnung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, weniger Extremismus und mehr Gerechtigkeit. Sportlich, aber auch konstruktiv und ansteckend optimistisch!
Wenn die Gebote des Korans in seiner ursprünglichen Intention umgesetzt würden, dann wäre die Welt ein gerechterer und friedlicher Ort. Das jedenfalls ist die Überzeugung des iranischstämmigen US-Wirtschaftswissenschaftlers Hossein Askari, Professor an der George-Washington-University in Washington. Er war müde, dass Extremisten im Namen seines Gottes Gewalttaten verüben. Er hatte es satt mitanzusehen, wie sehr der Islam in der Welt in Verruf gerät. Und er fragte sich, warum die meisten islamischen Länder wirtschaftlich und sozial dem Westen so sehr hinterherhinken.
Die islamischsten Länder liegen in Europa
Mit seiner Arbeitsgruppe studierte er den Koran auf Vorgaben für das ökonomische, politische und soziale Wesen eines Landes und entwickelte daraus ein Benchmark-System, das heißt einen Index, der die "Islamicity" eines Landes - im Deutschen würde man diese Wortschöpfung wohl am ehesten als "Islamizität" übersetzen - misst. Indikatoren dabei sind etwa die Einkommensverteilung unter der Bevölkerung, das Ausmaß von Korruption oder der Zugang zu Bildung.
"The central goals of Islam for any society are the welfare of all of its members and social economic justice ."
Dabei hat er Erstaunliches entdeckt: Die Lehren des Propheten Mohammed, so Askari, liegen ganz nahe an den Ideen Adam Smiths, ganz nahe an den Wurzeln westlicher Vorstellungen von Wirtschaft, Gerechtigkeit und Freiheit. Nähme man den Koran wörtlich, dann habe man eine Richtschnur, wie ein gerechter, friedfertiger und prosperierender Staat zu gestalten sei.
Und so wundert es nicht wenig, dass nach seinem Index Länder wie Irland, Dänemark und Luxemburg als "islamischste" Länder an der Spitze stehen. Weit abgeschlagen dagegen sind große muslimische Länder wie Saudi Arabien oder Ägypten. Kein Wunder, so Askari, denn dort würde die Religion als Machtinstrument missbraucht, die tatsächlichen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Lehren des Korans würden dort nicht umgesetzt.
"This religion was highjacked right from the beginning almost after the death of the prophet Mohammed. (...) The religion was used as a tool to exploit and rule."
Wenig überraschend macht Askari sich mit seiner Arbeit nicht nur Freunde. So muss er sich etwa den Vorwurf gefallen lassen, mit seinem Index die westliche Hegemonie legitimieren zu wollen. Askarie entgegnet dem, dass er keineswegs behaupten wolle, dass in den westlichen Ländern alles in Ordnung sei; gerade etwa in seinem Heimatland USA herrsche große soziale Ungerechtigkeit, die behoben werden müsse.
"This index provides a measure for muslims to question their own rulers. It also provides a window for westeners to understand: This is not Islam."
Hossein Askari wurde im Iran geboren, wuchs aber in England auf. Der Wirtschaftswissenschaftler lehrt seit 1982 an der George-Washington-University in den USA. Auch war er als Experte und Berater tätig, etwa im IWF, für die OECD oder die Weltbank, aber auch für arabische Staaten.
In seinem englischsprachigen Vortrag "A Benchmark for Islamic Societies - The Seed for Change", den er am 29. Januar 2015 exklusiv für den DRadio Wissen Hörsaal gehalten hat, erklärt Askari, welche Idee seinem Konzept zugrunde liegt, auf welcher Basis er den Index entwickelt hat und warum islamische Länder so weit abschlagen in seiner Auswertung.
Sein Ziel: Er hat sich nichts Geringeres auf die Fahnen geschrieben, als mit seinem ökonomisch-analytischen Ansatz den Keim zu legen für eine gerechtere Welt mit weniger religiös motivierter Gewalt, mehr Gerechtigkeit und Freiheit. Muslimen will er ein Instrument an die Hand geben, ihre Eliten und ihre Staaten messen zu können. Dem Westen will er ein Instrument an die Hand geben, den Islam jenseits nach Macht strebender Fanatiker und Unrechtssytemen kennenzulernen.