Es gibt nicht den einen Islam. Es gibt auch keine Kirche, Institution oder allgemeingültige Lehrmeinung darüber, was der Islam genau ist. Der Islam ist eine Religion unter vielen. Genau diese Ansichten vertritt Mouhanad Khorchide. Weil er für einen modernen, offenen, dialogbereiten Islam eintritt, musste der Theologe unter Polizeischutz gestellt werden.
Mouhanad Khorchide ist Autor des Buches "Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion". Doch weil er das so sieht, protestierten gleich mehrere islamische Verbände in Deutschland gegen ihn. Mouhanad Khorchide wurde sogar mit dem Tod bedroht. Er plädiert für ein friedvolles Miteinander der Religionen und wehrt sich gegen den Absolutheitsanspruch vieler Muslime.
"Der Islam ist kein Subjekt, das hier durch die Tür in den Raum geht und sagt: Liebe Leute, ich bin der Islam und ich stelle mich vor!"
Der Wissenschaftler von der Universität Münster tritt dafür ein, den Islam und unsere westliche Wertegesellschaft miteinander in Einklang zu bringen. Dafür müsse und könne der Islam entsprechend interpretiert werden.
Doch genau diese Haltung wird ihm bis heute zum Verhängnis. Fundamentalisten und Extremisten propagieren, den Koran wortwörtlich zu nehmen - also so, wie ihn die Menschen im 7. Jahrhundert gelebt hätten.
Mouhanad Khorchide kritisiert weiter, Islam-Gelehrte seien immer auch Kinder ihrer Zeit. Dazu führt er das jüngste Beispiel aus Saudi-Arabien an: Dort war es Frauen noch bis 2017 verboten, selbst Auto zu fahren. Ein Verbot, begründet mit dem Koran.
Auslegung des Islam: Alte Wertvorstellungen in einer modernen Welt
Heute hätten sich die Gelehrten die folgende Lesart ausgedacht, so Mouhanad Khorchide: Wenn eine saudi-arabische Frau mit einem Chauffeur unterwegs sei, dieser sie stundenlang begleite, im Auto, auf der Straße, beim Einkaufen - und mitunter sogar länger mit ihr zusammen sei als der eigene Mann - dann widerspreche das dem Koran.
Über den Vortragenden
Mouhanad Khorchide ist Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster. Seit 2010 bildet er dort islamische Religionslehrer aus. Über sein zeitgemäßes Islamverständnis hat er am 27. September 2018 in Troisdorf bei Bonn gesprochen. Veranstalter waren die Evangelische Kirche im Rheinland, die "Evangelische Erwachsenenbildung im Kirchenkreis an Sieg und Rhein" sowie die "Evangelische Kirchengemeinde Troisdorf". Sein Thema: "Islam und Moderne - Kann es eine Annäherung geben?"
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