Desinformation und Hassrede gegen Kandidatinnen und Kandidaten gab es schon immer, doch je näher die Bundestagswahl rückt, desto mehr nehmen sie zu, sagt Helena Schwertheim. Sie analysiert für das Institut für Strategischen Dialog diese Form der Desinformationskampagnen.
Helena Schwertheim vom Institut für Strategischen Dialog (ISD) analysiert Desinformationskampagnen im Netz. Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl am 26. September zählt sie auch digitale Gewalt oder Hate Speech als Formen dazu.
"Ich gehe davon aus, dass wir gezielte Desinformation zunehmend bis zum Tag der Bundestagswahl sehen. Das wird bestimmt der Höhepunkt sein", sagt Helena Schwertheim.
Misstrauen und weniger Partizipation
Die Hassrede als Form der digitalen Gewalt richtet sich gegen kandidierende Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und LGBTIQ+ und sorgt dafür, dass diese Menschen sich zurückziehen und weniger in die Politik einbrigen, erklärt die Analystin.
Dazu kommen auch verschiedene Formen der Bedrohungszenarien. Es werden bestimmte Narrative verbreitet, die dazu beitragen sollen, das Vertrauen in den Wahlvorgang oder in die politischen Institutionen zu untergraben.
"Wir sehen die Verbreitung von Narrativen, die das Vertrauen in den Wahlprozess oder in demokratische Institutionen untergraben."
In Bezug auf die Kanzlerkandidaten und -kandidaten hat das ISD-Team Im Rahmen einer Studie festgestellt, dass Kommentare im Netz zu Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) deutlich mehr Desinformationen enthalten (18 Prozent) als Kommentare zu SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (3 Prozent). Während bei Unions-Kandidat Armin Laschet keine Desinformation auftauche, berichtet Helena Schwertheim.
Ökonomische Motive für Desinformation
Hinter diesen Desinformationen stecken - je nach Kommentar - unterschiedliche Akteure. Oft steckten dahinter Personen, die ihre Meinung auf extreme und gewaltätige Art verbreiten wollen, sagt Helena Schwertheim. Oft sei auch der wirtschaftliche Gewinn ein Motiv für diese Kampagnen.
Ziel dieser Person sei häufig, die Gesellschaft zu spalten oder zu beeinflussen. Dafür nutzen sie die sozialen Medien wie Facebook und Twitter. Dabei gelinge es ihnen (mit Hilfe von Bots, Anm. d. Red.), zahlreicher zu erscheinen als sie sind, beschreibt die Analystin die Mechanismen.
"Oft sind es Akteure, die wirtschaftlichen Gewinn dabei machen wollen – Influence for hire."
Bei diesen Desinformationskampagnen arbeiten auch verschiedene Gruppierungen zusammen. Helena Schwertheim nennt das "Querfronten schaffen": Gruppen mit unterschiedlichen Ansichten finden zu einer scheinbaren einheitlichen Bewegung für einen kurzen Moment zusammen.
Querdenker Bespiel für Querfont
Im vergangenen Jahr habe sich das on- und offline bei der Gruppierung der sogenannten Querdenker gezeigt, die zu großen Protesten in Berlin mobilisieren konnte. Impfgegner haben sich beispielsweise mit Personen zusammengefunden, die nicht an die Mondlandung glauben, sagt Helena Schwertheim.
Genutzt wird für den Desinformationscontent neben den klassischen Kanälen Facebook und Twitter immer mehr Fringe-Plattformen wie Telegram, aber auch Streaming-Plattformen wie Youtube, Gaming-Plattformen wie Discord und stark Algorithmen getriebene Plattformen wie Tiktok.
"Wir nennen das Querfronten schaffen. Gruppen mit unterschiedlichen Ansichten werden für einen kurzen Moment zu einer scheinbar einheitlichen Bewegung zusammenführt."
Bis zur Bundestagswahl wird der Höhepunkt bei diesen Formen der Desinformationskampagnen erreicht werden, schätzt Helena Schwertheim. Aber auch nach der Wahl werden Desinformationen nicht sofort abreißen und noch die Koalitionsverhandlungen begleiten.
Kritisch bleiben
Um dieser Desinformation zu entgehen, rät Helena Schwertheim, dass sich jede und jeder informiert und sich eine gewisse Medienkompetenz aneignet.
"Informiert euch, hinterfragt, was ihr lest und seht! Fragt euch, woher diese Information kommt und warum diese Person diese bestimmte Nachricht teilt."
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