Unsere Autorin Nilofar Elhami ist mit dem Kurt-Magnus-Preis 2016 ausgezeichnet worden und war für diese Reportage bereits für den Deutschen Radiopreis 2015 nominiert. Nilofar war anderthalb Jahre alt, als ihre Eltern mit ihr aus dem Iran geflohen sind. Seitdem ist sie nie wieder dort gewesen - weil sie nicht einreisen darf. Damit doch ein Teil von ihr ins Land ihrer Eltern reisen kann, hat sie ihren Freund dorthin geschickt.
"Bin gerade in Teheran angekommen."
Seit sieben Jahren ist Nilofar mit Matze zusammen. Er kennt ihre Eltern, ihren Bruder, viele Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins. Die riesige iranische Verwandtschaft - knapp 50 Personen. Er kennt die Geschichten aus dem Iran, war aber noch nie dort.
Eine verzwickte Situation
Und Nilofar darf nicht in den Iran reisen: Sie ist nach der Flucht ihrer Eltern in Schweden aufgewachsen, hat einen schwedischen Pass. Als gebürtige Iranerin kann sie nur mit einem iranischen Pass in den Iran einreisen. Damit sie den bekommt, braucht sie ihre Geburtsurkunde. Genau die ist vor 30 Jahren auf der Flucht verloren gegangen. Eine neue bekommt sie nur im Iran.
"Ich bin seitdem nie wieder im Iran gewesen. Diese Tatsache tut weh. Es belastet mich. Und, ja, es ist dieses typische Gefühl: Solange ich meine Heimat nicht gesehen habe, fehlt mir etwas."
Zwei Wochen Iran im Januar
Also tritt Matze die Reise an, die Nilofar so gerne machen würde. Er trifft an Nilofars Stelle ihre Verwandten, genießt das persische Essen, atmet die Teheraner Luft ein, besucht Nilofars Geburtsort Isfahan.
"Ich stelle mir vor, wie Matze vom Flughafen mit dem Auto durch die Teheraner Winternacht gefahren wird - auf dem Weg zu meiner Tante Farah."
"Teheran by night. Smog war das erste, was ich eingeatmet habe. Eine Stunde sind wir gefahren, mindestens, bis zum Haus."
Eine Reise in Gedanken
Während Matze zwei Wochen im Iran ist, reist Nilofar mit - in Gedanken. Sie wartet auf E-Mails von Matze, schreibt SMS mit ihrem Onkel. Sie fragt sich, ob ihren Verwandten die Geschenke gefallen, die sie in Matzes Koffer gepackt hat. Will wissen, ob ihm Halim schmeckt - ein iranischer Frühstücksbrei. Ist Nilofars Geburtsort Isfahan wirklich so romantisch, wie sie sich ihn vorstellt? An manchen Tagen ist Nilofar enttäuscht, ungeduldig, weil sie nichts von Matze hört - keine SMS, keine E-Mail, geschweige denn ein Anruf. Matze hat kein Netz, sein Mobiltelefon funktioniert nicht. Nilofar geht in Deutschland fast die Wände hoch.
Nach einer Woche meldet sich Matze per Mail: "Ich muss immer daran denken, dies ist dein Land und ich bin so gerührt, dass ich heulen könnte vor Freude, dies hier erleben zu dürfen." Die Reise ist noch lange nicht vorbei.
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