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Seit Jahren schon verschwinden immer mehr Banken, die sich vor unserer Haustür befanden. Zudem werden immer weniger Kredite vor Ort vergeben. Der Bankkunde mutiert zum Zwerg auf der internationalen Finanzbühne, stellt der Finanzmathematiker Christoph Becker fest.

Für Christoph Becker entwickelt sich der Finanzmarkt in eine gefährliche Richtung: Große Fondsgesellschaften mit wenigen mächtigen Personen an der Spitze würden entscheiden, wer einen Kredit bekommt und wer nicht. Und ein Kredit in Höhe von zehn Millionen Euro sei in diesem Spiel zu "Peanuts" geworden, erklärt der Wissenschaftler. Selbst mittelständische Firmen müssten sich in die Hände der neuen Mächtigen begeben – mit ungewissem Ausgang.

"Unser Finanzsystem ändert sich schleichend – weg von einem bankenbasierten hin zu einem kapitalmarktbasierten.“
Christoph Becker, Finanzmathematiker

Bei Otto Normalkunde hingegen würden die Geschäfte neuerdings mit dessen Ideologie gemacht: Wer sich selbst optimiere, wer umweltbewusst handele und wer sich für Frieden einsetze, werde zum unkontrollierten Spielball der neuen Kreditgeber.

Geschäfte werden mit unseren Idealen gemacht

Mit Vergnügen greifen diese Kreditgeber unsere Ideale auf, sagt Christoph Becker – und bieten sie dann zum Kauf an. Nachhaltige Investments seien dabei nur ein Mittel zum Zweck. Anders ausgedrückt: Alle unsere Ideale würden zum Prüfkriterium bei der Frage, ob wir einen Kredit bekommen oder nicht. Ob das Geld dann aber tatsächlich in nachhaltigen Projekten landet, sei mehr als fraglich. Zu intransparent seien die internationalen Finanzströme quer über den Globus.

"Die wichtigste Macht, die dieses Finanzsystem hat, ist, sagen zu dürfen, wer einen Kredit bekommt und wer nicht.“
Christoph Becker, Finanzmathematiker

Am Ende dieses Prozesses stehe der Verlust unserer Selbstbestimmtheit, davon ist Becker überzeugt. Sogar die Demokratie sieht er bedroht. Doch noch sei es nicht zu spät, gegenzusteuern. Als Beispiele führt der Redner Beispiele aus München und Baden-Baden an, wo Bürger in lokale Projekte investiert hätten – und das mit einem Riesenerfolg.

Mehr finanzielle Teilhabe auf kommunaler Ebene

Kredite wieder mehr lokal und nach anderen Kriterien zu vergeben, die Machtkonzentration von wenigen auf der Finanzbühne zu brechen und mehr finanzielle Beteiligung auf kommunaler Ebene zu ermöglichen – das könnten Ansätze sein, um uns Zwerge auf dem Geldmarkt wieder größer werden zu lassen, findet er.

Christoph Becker ist Finanzmathematiker und Stochastiker am Darmstädter Institut für Statistik und Operations Research. Die Aufzeichnung für den Hörsaal erfolgte exklusiv für Deutschlandfunk Nova – beruht jedoch auf seinem Vortrag am 22. April 2024 bei den "Citizen Lectures" an der Technischen Universität Darmstadt. Der Titel: "Das Finanzsystem und die Selbstbestimmung des Menschen".

Hörsaal live.

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Shownotes
Internationale Finanzmärkte
Der Ausverkauf unseres Bankensystems
vom 30. August 2024
Moderation: 
Hans-Jürgen Bartsch
Vortragender: 
Christoph Becker, Finanzmathematiker am Darmstädter Institut für Statistik und Operations Research
Quellen aus der Folge: