Auf Instagram tauchen bei manchen Userinnen und Usern plötzlich verstörende Schock- und Gewaltvideoclips auf – und zwar von Accounts, denen sie gar nicht folgen. Dahinter dürfte das Ziel stecken, Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Laut einem Bericht der Washington Post gibt es seit einigen Monaten ein Phänomen auf Instagram, das immer mehr Userinnen und User betrifft. Nämlich, dass ihnen Videoclips angezeigt werden, die Gewaltinhalte zeigen. Sie zeigen Enthauptungen, Erschießungen, tödliche Unfälle. Die Inhalte kommen von Accounts, denen die Userinnen und User nicht folgen.

Eigentlich bekommen wir auf Instagram Inhalte angezeigt, die uns sehr wahrscheinlich interessieren. Um zu wissen, was das sein könnte, verfolgt und wertet die Plattform unser bisheriges Verhalten aus. Vor allem bekommen wir Inhalte von Menschen, denen wir folgen.

Es geht um Klicks und Werbung

Zugleich werden uns aber auch Posts gezeigt, die allgemein populär sind und bestimmte Klickzahlen erreicht haben. Zum Beispiel in der Reel-Funktion auf Instagram. "Es sind Inhalte, die von Instagram offenbar als allgemein attraktiv oder interessant angesehen werden", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Michael Gessat.

Hier eine Balance zu finden, zwischen gewünschten und quasi kuratierten Inhalten, sei eine heikle Sache und vermutlich bei Instagram zuletzt schiefgegangen. Aber klar sei auch, dass es um Geld geht. Die Plattformen versuchten – und nicht nur Instagram – mehr Aufmerksamkeit und mehr Klicks zu erzeugen, um entsprechend teuer Werbung verkaufen zu können. Deshalb versuchen Plattformen uns neue, vermeintlich attraktive Inhalte anzuzeigen, so Michael Gessat.

"Die Mission ist: Mehr Aufmerksamkeit und mehr Klicks zu erzeugen, um teuer verkaufbare Werbung schalten zu können."
Michael Gessat, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter 

Aufmerksamkeit und Klicks erzeugen zum Beispiel Videos von spektakulären Verkehrsunfällen. "Das wird häufiger geklickt und gesehen als Cat-Content mit einer schnurrenden Katze", sagt Michael Gessat. Neben Verkehrsunfällen würden eben auch Videos von Enthauptungen oder Erschießungen Aufmerksamkeit ziehen.

Von hohen Klickzahlen profitiert dabei nicht allein Instagram, sondern auch die, die Inhalte generieren. "Es gibt gibt Accounts in den sozialen Medien, die Meme-kompatiblen oder Meme-generierenden Content zusammentragen und liefern", sagt Michael Gessat. Es gehe darum, die möglichst krassesten und schockierendsten Clips aus dem Netz zu verbreiten.

"Das ist dann attraktiver Content in dem Sinne, dass er geklickt wird und sich monetarisieren lässt."
Michael Gessat, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter 

Werden solche Inhalte geklickt, dann lässt sich das eins zu eins monetarisieren. Michael Gessat: "Content-Anbieter, ob bei Youtube oder Instagram, werden mitbeteiligt und zwar proportional zu ihrer Popularität, sprich zu ihren Klickzahlen an den auf ihre Inhalte gebuchten Werbeanzeigen."

Noch krasser, noch schockierender

Diese ungute Logik zeigte sich auch an einer Debatte in Großbritannien. Dort war die 45-jährige Nicola Bulley bei einem Spaziergang verschwunden. Die Suche nach ihr entwickelte sich in den sozialen Netzwerken zu einem regelrechten Hype. Aber auch die traditionellen Medien wurden für ihre Berichterstattung teils kritisiert.

Nicola Bulley wurde tot aufgefunden. Ein 34-jähriger Tiktoker filmte heimlich die Bergung der Leiche. "Anschließend hat er den Clip in verschiedenen Social Media gepostet, um damit Kohle damit abzugreifen", sagt Michael Gessat. Letztlich konnte er über 1000 Euro damit verdienen.

Shownotes
Soziale Medien und Klickzahlen
Wenn bei Insta plötzlich Gewaltinhalte auftauchen
vom 27. Februar 2023
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Michael Gessat, Deutschlandfunk Nova