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Eine tote Mücke? Kein Problem. Massiver Rückgang der Insektenzahl über Jahrzehnte? Ein kleiner Verein aus Krefeld hat das erstmalig dokumentiert. Seitdem ist etwas passiert beim Insektenschutz in Deutschland – ein bisschen jedenfalls.

Das große Insektensterben, dafür steht die Krefelder Studie. Der Entomologische Verein Krefeld hat sie im Oktober 2017, also vor fünf Jahren veröffentlicht. Die Untersuchung weist für den Zeitraum von knapp 30 Jahren einen Rückgang der Masse fliegender Insekten um mehr als drei Viertel nach. Diese Werte haben Forschende des Vereins in verschiedenen Naturschutzgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ermittelt.

"Die Zahl war so krass, dass sie um die Welt ging – von der BBC über New York Times bis Al Jazeera und dem New Zealand Herald."
Sophie Stigler, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Die Studie erregte vor allem deswegen eine solche Aufmerksamkeit, weil der Entomologischer Verein Krefeld über Jahrzehnte immer auf die gleiche Art und Weise Insekten gefangen hat und so erstmals über einen langen Zeitraum den Rückgang belegen konnte.

Agrargifte und Tiere

Der Einsatz von Pestiziden ist dafür mit Sicherheit mitverantwortlich, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Sophie Stigler.

"Es kristallisiert sich heraus, dass Pestizide großen Anteil am Insektenrückgang haben, nicht ein Wirkstoff, sondern der Cocktail aus vielen zusammen."
Sophie Stigler, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Ein Rückgang der Insektenzahl ist tendenziell in eigentlich allen Studien zum Thema nachweisbar, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Sophie Stigler. Die Auswertung von über 160 Einzelstudien zeige einen Rückgang sowohl der Menge der Insekten als auch der Artenvielfalt.

Eine Untersuchung der Technischen Universität München in anderen deutschen Gebieten hat im Grünland innerhalb von nur rund zehn Jahren fast den gleichen Rückgang festgestellt wie Krefelder Studie für einen rund dreimal so langen Zeitraum.

In Großbritannien ist im Rahmen einer Untersuchung die Menge toter Insekten auf Autonummernschildern erfasst worden – auch hier hat sich im Vergleich zu 2004 ein massiver Rückgang gezeigt.

Pestizideinsatz und Dokumentation

Zurück zur Ursache: Gerade in Deutschland werde der Einsatz von Pestiziden zum Pflanzenschutz nicht systematisch erfasst, sagt Sophie Stigler. Landwirtinnen und Landwirte müssen zwar genau dokumentieren, was sie auf ihren Feldern ausbringen, die Zahlen werden aber nicht öffentlich dokumentiert. Sie werden nur auf Nachfrage seitens des Landwirtschaftsamts herausgegeben.

"Man weiß nicht, was auf Feldern und dann auch rundherum verteilt wird, nicht mal in Naturschutzgebieten."
Sophie Stigler, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin, über den Pestizideinsatz in Deutschland

Allerdings ist der Naturschutzbund in Baden-Württemberg im Jahr 2021 mit zwei Klagen auf Herausgabe der Daten erfolgreich gewesen. Zumindest in den Naturschutzgebieten dieses Bundeslandes muss systematisch erfasst werden, welche Pestizide in welcher Menge ausgebracht werden.

Eine weitere Änderung gibt es seit Veröffentlichung der Krefelder Studie auf Bundesebene. Insektenschutz ist im Koalitionsvertrag verankert. Es gibt ein Insektenschutzgesetz und der Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten ist eingeschränkt worden. Insgesamt stehe für das Monitoring von Insekten nun mehr Geld zur Verfügung, so Sophie Stigler.

Shownotes
Krefelder Studie
Insektensterben: Vor fünf Jahren ging eine Zahl um die Welt
vom 27. Oktober 2022
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartnerin: 
Sophie Stigler, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin
Weiterführende Quellen zu dieser Folge: