Der Inklusionsbarometer Arbeit 2023 liegt vor. Dieser bildet die Situation von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ab. Es gibt positive Nachrichten, aber Chancengleichheit ist Fehlanzeige. Auch, weil sich die Unternehmen bei Einstellungen schwertun.

Der Inklusionsbarometer Arbeit 2023 wird von Aktion Mensch und dem Handelsblatt Research Institute veröffentlicht.

Die Studie spricht von einer "kurzen Erholung auf dem Arbeitsmarkt". Die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist gesunken wie die Arbeitslosenquote insgesamt. Zuletzt war das nicht immer so.

Der Inklusionsbarometer blickt exemplarisch auf sechs Regionen innerhalb Deutschlands. In allen Landesteilen ist die Arbeitslosenquote gefallen. "Am niedrigsten ist sie in Hessen und Baden-Württemberg", sagt Julian Kuper aus der Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion. Insgesamt ist die Arbeitslosenquote sogar auf dem niedrigsten Wert seit es den Inklusionsbarometer gibt – also seit 2013.

Verbesserung, aber keine Chancengleichheit

Auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist gesunken. Langzeitarbeitslosigkeit bedeutet, dass Menschen seit mindestens einem Jahr auf Jobsuche sind.

Dennoch: Auch wenn die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung 2022 auf 11 Prozent und damit auf einen Tiefstwert gesunken ist, liegt sie immer noch mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenquote.

Beim genaueren Blick auf die Zahlen wird auch deutlich, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht gleich verteilt sind. Der Anteil der langzeitarbeitslosen Menschen mit Behinderung hat sich leicht verbessert auf rund 46 Prozent, aber der Abstand zu langzeitarbeitslosen Menschen ohne Behinderung hat sich vergrößert.

Ebenso bleibt die "Abgangsrate aus der Arbeitslosigkeit" doppelt so hoch im Vergleich zu Nicht-Behinderten. Heißt: Menschen ohne Behinderung haben deutlich bessere Chancen, wenn sie auf Jobsuche sind. Die Abgangsrate steht für die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, die Arbeitslosigkeit im kommenden Monat zu beenden.

"Menschen ohne Behinderung haben eine mehr als doppelt so hohe Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden als Menschen mit Behinderung."
Julian Kuper, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Ein Grund unter vielen für die fehlende Chancengleichheit ist das Alter. Unter den Schwerbehinderten sind viele ältere Menschen. Mit zunehmendem Alter kommen weitere Erkrankungen dazu. 48 Prozent der arbeitslosen Menschen mit einer Behinderung sind 55 Jahre oder älter.

"48 Prozent der arbeitslosen Menschen mit einer Behinderung sind 55 Jahre oder älter."
Julian Kuper, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Unternehmen tun sich oft schwer, ältere Menschen
einzustellen. Hat jemand auch noch eine Behinderung, dann ist es meist doppelt so schwer angestellt zu werden.

Aber auch fehlende Infrastruktur kann die Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung einschränken. Zum Beispiel, wenn der öffentliche Nahverkehr nicht barrierefrei ist.

Unternehmen stellen zu wenig Menschen mit Behinderung ein

Zugleich kritisiert Aktion Mensch im Inklusionsbarometer, dass es zu viele Unternehmen gibt, die keine Behinderten einstellen. Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitenden müssen laut Gesetz Menschen mit Behinderung einstellen. Das trifft auf fast 175.000 Unternehmen in Deutschland. Sie müssen mindestens 5 Prozent der Arbeitsplätze an Behinderte vergeben.

Doch nur 40 Prozent der Unternehmen erfüllen diese Vorgabe komplett. "Das ist der niedrigste Wert seit es das Inklusionsbarometer gibt", sagt Julian Kuper. Die anderen Unternehmen bezahlen lieber eine Ausgleichsabgabe.

Shownotes
Inklusionsbarometer
Menschen mit Behinderung haben schlechtere Jobchancen
vom 30. November 2023
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Julian Kuper, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion