Die weißen Kolonialisten fühlten sich in vielen Teilen der Welt der indigenen Bevölkerung überlegen. Mit brutalen Methoden – Folter und Vergewaltigung auch von Kindern – versuchten sie, sich die indigenen Menschen untertan zu machen und ihre Kultur zu vernichten.
Als die Berichte von ehemaligen Schülern der St. Joseph's Indian Residential School in Williams Lake, einem kleinen Ort, etwa 300 Kilometer nördlich vom kanadischen Vancouver, bekannt werden, stockt den Menschen der Atem.
Die ehemaligen Schüler erzählen von brutaler Folter, Vergewaltigungen durch Priester und Lehrer des Internats, auf das sie ihre Eltern in dem Glauben geschickt hatten, dass ihre Kinder dort eine gute Ausbildung bekämen. Sie gehörten den First Nations an, waren also Nachfahren jener Menschen, die als indigene Bevölkerung von den europäischen Siedlern vertrieben und unterdrückt wurden.
"In den Augen der Eroberer, sage ich jetzt mal, waren das wilde, ungebildete Menschen mit merkwürdigen Lebensweisen und Vorstellungen. Es gab regelrechte Kriege: Zum Beispiel den Völkermord an Herero und Nama am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Afrika."
In Kanada ist der Missbrauch von Schülerinnen und Schülern zwischen 1861 und 1981 von den jeweiligen Regierungen geduldet und von den regionalen Kirchenleitungen gedeckt worden. Papst Franziskus fasst seine Entschuldigung in diese Worte: "Dafür bringe ich Beschämung und Schmerz zum Ausdruck und wiederhole gemeinsam mit den Bischöfen dieses Landes meine Bitte um Vergebung für das von vielen Christen an den indigenen Völkern begangene Übel."
Physische und psychische Misshandlung – bis zum Tod
Bei dem an den Kindern der First Nations begangenen Verbrechen ging es auch darum, die Kultur, die Sprache und die Traditionen der indigenen Völker Kanadas zu vernichten. Den Kindern wurden als erstes die Namen genommen und durch eine Nummer ersetzt. Anschließend wurden sie psychisch und physisch gebrochen und körperlich wie sexuell misshandelt. So sollten sie "zivilisiert" und ihrer Herkunft entfremdet werden. Ungefähr 150.000 Kinder teilten dieses Schicksal, schätzungsweise rund 3.000 von ihnen starben dadurch.
Ihr hört in Eine Stunde History:
- Der Journalist Gerd Braune berichtet seit Jahren aus Kanada und beschreibt, wie die kanadische Gesellschaft mit dieser Vergangenheit umgeht.
- Doris Simon, USA-Korrespondentin des Deutschlandfunks, erläutert den Umgang mit den indigenen Völkern in Nordamerika.
- Der Jurist Stefan Oeter zeichnet die koloniale Arroganz nach, mit der sich die Kolonialmächte das Land und die Bodenschätze indigener Völker genommen haben.
- Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld beschreibt den Beginn der Unterdrückung indigener Völker durch europäische Kolonialmächte.
- Deutschlandfunk-Nova-Reporter Martin Krinner schildert die Ereignisse an der St. Joseph's Indian Residential School.
- Der Journalist Gerd Braune über Kanadas schwieriges Erbe
- Die USA-Korrespondentin des Deutschlanfunks, Doris Simon, zum Umgang mit indigenen Völkern in Nordamerika
- Der Jurist Stefan Oeter über die Arroganz der Kolonialmächte