Mehr als 1200 illegale Autorennen hat die Polizei innerhalb von drei Jahren allein in Berlin registriert. Auch deutschlandweit gibt es immer wieder schwere Unfälle mit Verletzten und Toten als Folge von Raserkriminalität, in Städten oder auf Autobahnen – trotz verschärfter Gesetze seit 2017. Woran das liegt, wie in solchen Fällen ermittelt wird und was gegen die Rennen helfen würde, erfahren wir von Amtsanwalt Andreas Winkelmann.
Die Täter sind meistens jung, meistens männlich und die Autos oft nur geliehen. 500 oder 600 PS stark sind die Motoren und die Fahrer haben Bock auf Geschwindigkeit. Sie verabreden sich oder stehen zufällig an der Ampel nebeneinander. Ein kurzer einvernehmlicher Blick und das Rennen geht los: mit 170 Sachen durch die Innenstadt, über rote Ampeln hinweg. Vielleicht merkt es ja keiner.
"Die Wrackteile flogen mehrere Hundert Meter über den Ku'damm. Die Tatortaufnahmen erinnern an eine Bombenexplosion."
Vielleicht geht es aber auch aus wie im Februar 2016 auf dem Berliner Kurfürstendamm. Die beiden Täter rasen über den Ku'damm, überfahren dabei mehrere rote Ampeln. Ein unbeteiligter Autofahrer fährt bei grüner Ampel auf die Kreuzung. Einer der Täter rammt ihn, der Jeep des Mannes fliegt 25 Meter durch die Luft. Der Fahrer stirbt noch am Unfallort.
Solche Rennen geschehen in Dortmund, Hamburg oder Berlin, auf Autobahnen oder auf Bundesstraßen. Obwohl der Gesetzgeber 2017 einen sogenannten "Raser-Paragrafen" eingeführt hat, §315 des Strafgesetzbuchs, nehmen solche Taten eher zu als ab, sagt Amtsanwalt Andreas Winkelmann in seinem Vortrag. In seiner Abteilung werden solche verbotenen Kraftfahrzeugrennen bearbeitet.
"Das eigene Auto verpfeift den Täter."
Die Taten nehmen zu, obwohl die Täter davon ausgehen dürfen, dass sie überführt werden. Denn: Sie fahren einen hochmotorisierten Computer. Ihr Wagen speichert jede Menge Daten. So auch im Ku'damm-Fall. Der eine Fahrer ist inzwischen zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt, das Urteil gegen den zweiten Fahrer wurde vom Bundesgerichtshof zurück ans Berliner Landgericht verwiesen.
Weniger PS, mehr Verbote, mehr Aufklärung
Wenn aber weder das noch die höhere Strafandrohung ausreichend abschreckt - was könnte dann helfen, um solche Rennen zu verhindern?
"Fahrzeuge mit 500 PS sind für den Straßenverkehr zugelassen. Wozu?"
Winkelmann plädiert zuallererst für weniger aufgemotzte, weniger PS-starke Wagen und eine entsprechende gesellschaftliche Diskussion. Richtig optimistisch ist er diesbezüglich - mit Blick auf das Autoland Deutschland - allerdings nicht. Aber er macht auch andere Vorschläge:
- Verkehrserziehung an Schulen zur Steigerung der Verkehrssicherheit
- das Thema Autorennen im Theorieunterricht zum Führerschein verpflichtend behandeln
- Stufenführerschein für Fahranfänger und Personen unter 25 Jahren - die Folge: sie dürften nur Fahrzeuge mit geringerer PS-Leistung fahren
- Autovermieter und Carsharing: kein Verleih von hochmotorisierten Fahrzeugen an Fahranfänger und junge Menschen
Andreas Winkelmann leitet als Erster Amtsanwalt in Berlin die Abteilung, in der verbotene Kraftfahrzeugrennen in Sonderzuständigkeit verfolgt werden. Er hat seinen Vortrag freundlicherweise am 26. Oktober 2020 in unserem Berliner Funkhaus für uns gehalten.