Rassen gibt es nicht. Aber der Begriff "Rasse" steht immer noch im Grundgesetz. Er stammt aus dem 15. Jahrhundert und legt den Grundstein für Rassismus. Wir haben uns die Geschichte des Begriffs genauer angeschaut.
In Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."
Eigentlich soll dieser Paragraph dafür sorgen, dass niemand diskriminiert wird. Allerding ist das Wort "Rasse" problematisch. Die Parteien im Bundestag diskutieren deswegen gerade darüber, das Wort "Rasse" aus dem Grundgesetz gestrichen werden sollte.
"Heute muss man aus historischer und biologischer Perspektive sagen, dass der Begriff dem Rassismus Vorschub leistet."
Julien Bobineau ist Literatur- und Kulturwissenschaftler am Afrikazentrum der Universität Würzburg und sagt, dass der Begriff Rassismus begünstigt.
Zunächst wurde der Begriff Rasse nur im Zusammenhang mit Tieren, zum Beispiel bei der Pferdezucht, verwendet. Vor mehr als 500 Jahren, im Zusammenhang mit der Reconquista, der Rückeroberung der arabisch dominierten Gebiete in Nordspanien, machte der Begriff dann einen Wandel durch, erklärt Julien Bobineau.
Religion funktioniert nicht mehr als Unterscheidungsmerkmal
Auf der einen Seite standen die katholischen Spanier, auf der anderen Seite die Araber. Die Spanier hatten das Ziel, die aus ihrer Sicht ungläubigen Araber und Juden zu Vertreiben. Aus Angst vor Verfolgung konvertierten dann viele Juden und Muslime zum Katholizismus.
Das hatte zur Folge, dass Religionszugehörigkeit kein brauchbares Unterscheidungsmerkmal mehr für die Spanier war. Julien Bobineau sagt: "Seitdem hat man eine Art Reinheit des Blutes propagiert." Die Menschen wurden dann in Rassen eingeteilt. Dabei spielten sowohl die Religion als auch äußerliche Merkmale eine Rolle.
"Man hat gesagt: Wir wollen etwas unterscheiden, aber wir wollen es nicht neutral unterscheiden, sondern es ist von Anfang an mit einer Wertigkeit belegt."
Dass man damals in die Bewertung von Äußerlichkeiten auch Hierarchien miteingebaut hat, ist bis heute ein Problem, urteilt Julien Bobineau. Der Rassebegriff beschreibt im 15. Jahrhundert zum Beispiel die hierarchische Opposition zwischen "wertigen, spanischen Christen" und "minderwertigen Muslime und Juden", die der niederen Rasse zugeordnet wurden, "was aus heutiger Sicht natürlich totaler Unfug ist" sagt Julien Bobineau.
Verstärkt wurde diese Einteilung in mehr- oder minderwertige Menschen, als - im Zuge des Imperialismus - Seefahrer die neue Welt entdeckten und damit auch auf fremde Völker und andere Kulturen trafen.
Begriff "Rasse" hierarchisiert
Philosophen und Naturforscher waren außerdem darauf bedacht - im Zusammenhang mit der Entstehung der modernen Wissenschaften - die Welt zu ordnen und zu kategorisieren. Dazu gehörte auch, die sogenannten "zivilisierten Europäer" von den sogenannten "unzivilisierten Völkern der außereuropäischen Welt" zu unterscheiden, erklärt Julien Bobineau.
Der Begriff beschreibt über Jahrhunderte hinweg sozial konstruierte Hierarchien. Im 20. Jahrhundert bildete der Begriff "Rasse" die Grundlage für die Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten.
"Es ging immer darum, angeblich bessere Menschen von angeblich schlechteren zu unterscheiden und das anhand von äußerlichen Merkmalen festzumachen."
Seit dem Aufkommen des Rassebegriffs im 15. Jahrhundert ist es immer darum gegangen, eine Wertigkeit von Menschen zu beschreiben, fasst Julien Bobineau zusammen.
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