Was, wenn die Hater wieder haten? Dann kommen die Leute von #ichbinhier. Ihre Vision: niemanden überreden, aber die Diskussionskultur im Netz wieder angenehmer machen.
Die Idee kommt aus Schweden. Unter dem Hashtag #JagÄrHär schaltete sich Minna Dennert vergangenes Jahr in eine Diskussion ein, die total aus dem Ruder lief. Als Reaktion auf eine Werbeanzeige mit einem schwarzen Kind hagelte es rassistische Beleidigungen. Minna wollte den Gegenstimmen ein Gewicht geben und holte noch mehr Leute mit ins Boot, mittlerweile sind das 60.000.
Hannes Ley erfuhr von schwedischen Freunden davon, nahm Kontakt mit den Machern auf, um dann seine deutsche Version aufzusetzen. Das Prinzip ist das gleiche wie bei den Schweden: Basis ist eine geschlossene Facebookgruppe, in der sich die Mitglieder austauschen, wo gerade gehatet wird - dann schalten sie sich dazu. Nach knapp zwei Monaten hat es der deutsche Ableger auf 16.000 Mitglieder gebracht.
Wenn die anderen ausrasten
Worum es bei #ichbinhier geht: Sie wollen mit ihren Kommentaren niemanden überzeugen, aber sie wollen die Hass-Lawine in ihrer freien Fahrt bremsen. Denn vielleicht sind die Wütenden gar nicht in der Überzahl, vielleicht sind sie nur besonders laut?
"So viel Wut, so viel Hass. Das gleicht teilweise einer Hexenjagd. Das darf auch nicht die Diskussionskultur sein, die wir im Netz haben wollen."
Mit ihrer Aktion konzentriert sich #ichbinhier auf die Facebookseiten großer Publikumsmedien. Beispiele für schwierige Diskussionen gibt es hier reihenweise. Wie der folgende Fall: Nachdem in Berlin-Neukölln ein toter Flüchtling aufgefunden wurde, hat die Berliner Polizei zur Mithilfe der Bürger bei der Aufklärung aufgerufen. Als Focus das Thema aufgriff, dauerte es nicht lange, "dann kamen die Hater", sagt Hannes Ley. Sie kommentierten Dinge wie: "Wäre der mal lieber in Damaskus geblieben, dann hätten wir eine Menge Geld gespart."
"Uns geht es in erster Linie um die Art und Weise der Kommunikation."
Die #ichbinhier-Kommentare bewegen sich weg vom Hatespeech und damit manchmal auch eine Ebene höher: Wollen wir so eine Tendenz stützen? Sollten wir nicht mal über Mitleid nachdenken?
Eine Voraussetzung, um in die Gruppe aufgenommen zu werden, ist die demokratische Grundüberzeugung. Daher wird jedes Profil gecheckt, damit sich nicht getarnte Trolle in die Gruppe mogeln. Von den politischen Ansichten, so Hannes Ley, sei ein breites Spektrum vertreten. Die einen eher rechts, die anderen eher links orientiert. Entscheidend bleibt: "Seid differenziert, pauschalisiert nicht, seid nicht sexistisch, nicht rassistisch. Keine Beleidigungen. Das ist uns wichtig." Alle, die mitmachen, verpflichten sich dieser Regel.
"Wichtig ist uns, dass die Leute demokratisch sind. Alles, was wirklich in Extrembereiche reingeht, dem gewähren wir keinen Einlass."
Gegenwind bekommen sie dabei natürlich auch: Mitglieder werden persönlich angefeindet, sie werden als "Meinungspolizei" betitelt oder verdächtigt, stiftungsfinanzierte Kampagnen zu fahren, berichtet Hannes Ley. Beirren lassen sich die Aktiven davon nicht - selbst wenn es sie nicht kalt lässt.
"Man muss immer aufpassen, wenn man sich intensiv mit so etwas beschäftigt, dass man nicht glaubt, dass die ganze Welt so ist."
Hannes Ley sagt, in der Gruppe gebe es einen großen Zusammenhalt. Für viele sei es ein Mittel, Mut zu schöpfen, sich selbst zu engagieren. "Viele, die in der Gruppe sind, haben sich vorher nie eingemischt."
- Was Beleidigungen im Netz kosten | Redaktionskonferenz zu Strafen im Netz
- Der war's! | Redaktionskonferenz über Hetzer im Netz
- Hasskommentare von Fake-Accounts | Der Grünstreifen über (Anti)-Social-Bots