Häkeln, Stricken, Blumen malen und gaaanz tief atmen: Ein. Und. Aus. Ist das Besinnung aufs ich, Krafttanken im überwältigenden Chaos des Alltags oder einfach purer Eskapismus?
Anschläge, Attentate, Terror, Krieg, Elend, Tod. Jeden Tag, auf allen Kanälen, sind wir konfrontiert mit den Problemen und Schrecken der Welt. Wer wollte es uns verdenken, dem entkommen zu wollen? Ja, wir brauchen auch mal Abstand, sagt die Journalistin Julia Friedrichs. Aber nicht so. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema Weltflucht. Die Generation der 20- bis 40-Jährigen ziehe sich zurück, statt politisch zu sein. Das findet Julia Friedrichs nicht gut. In ihrem Vortrag erzählt sie vom Boom der Edelmagazine, in denen es nur um eins geht: das eigene Wohlbefinden.
"Die Magazine predigen das einfache, das gebremste Leben, loben die vergessene Kunst des Papierschnitts, das meditative Zeichnen von Schmetterlingsflügeln, die Makrofotografie von Kakteenblättern."
Von Achtsamkeitsübungen und Wildkräuterzucht bis hin zum Wiederauferstehen der Handwerkskunst. Die Augen verschließen zu wollen vor den politischen Problemen der Welt sei zwar verständlich, argumentiert Friedrichs, aber keine Lösung.
"In keinem der Magazine fand sich auch nur ein Spurenelement dessen, was gemeinhin für einen elementaren Teil der Gesellschaft gehalten wird, Politik und Wirtschaft. Auch Konflikte oder Armut tauchten nicht auf, erst recht keine Kriege."
Der Vortrag von Julia Friedrichs hat den Titel "Landlust - über die neue Sehnsucht nach der Provinz". Sie hat ihn am 7. März 2016 in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin gehalten, im Rahmen der Reihe "Auf der Höhe - Diagnosen zur Zeit". Im Anschluss fand ein Gespräch mit Peter Siller statt, dem Leiter der Inlandsabteitlung der Heinrich-Böll-Stiftung.
Mehr zum Thema Weltflucht:
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