Seitdem wir alle alles im Netz veröffentlichen können, worauf wir Lust haben, stirbt die Wahrheit langsam aus. Und der gesellschaftliche Konsens stirbt gleich mit. Oder? Den Eindruck jedenfalls vermittelt die anhaltend aufgeregte Diskussion um das sogenannte postfaktische Zeitalter. Wir wollten wissen: Wie schlimm ist es wirklich?
Im Hörsaal prüft der Münchner Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger, welche Bedeutung Fake News tatsächlich gewonnen haben. Im ersten Teil seines Vortrags "Wahrheit als Obsession und Option: Wissenskämpfe im Internet", stellt er die noch magere Forschung vor und beschreibt die unterschiedlichen Methoden von Falschnachrichten. (Hier findet ihr den zweiten Teil des Vortrags.)
"Wir haben es zu tun mit Desinformationen, mit Propaganda, mit Halbwahrheiten."
Die Forschung zu Fake News nimmt auch die Gegenmaßnahmen in den Blick - wie etwa technische Lösungen und Factchecking - und untersucht deren Effektivität. Bisher zumindest haben solche Mittel wenig Effekt auf die Verbreitung falscher Nachrichten.
"Es reicht keineswegs aus, einfach nur die Gegeninformation zu streuen."
Letztendlich ist jeder von uns gefordert, Nachrichten zu prüfen, insbesondere bevor wir sie weiterverbreiten, und auch die Richtigstellungen möglichst weit zu streuen, sagt der Berliner Publizist und Kommunikationswissenschaftler Alexander Sängerlaub. Er leitet das Projekt "Measuring Fake News" der Stiftung Neue Verantwortung, das ganz aktuell im Bundestagswahlkampf das Aufkommen von Fake News und die Aktivitäten von Social Bots beobachtet hat.
"Die Debatte über Fake News hat die Bevölkerung nicht nur sensibilisiert, sondern vielleicht auch ein bisschen immunisiert."
Obwohl Fake News in den vergangenen Jahren zugenommen haben, kann er zumindest für die Wahlkampfphase Entwarnung geben: So schlimm, wie befürchtet, ist es nicht gekommen - Falschnachrichten haben keine große Rolle gespielt, nicht mehr als sonst. Unter anderem sagt Alexander Sängerlaub im Interview, dass sich interessanterweise die Fake News des Öfteren aus journalistischen Fehlleistungen entwickeln.
"Nur ein guter Qualitätsjournalismus sorgt auch für eine funktionierende Demokratie.“
Christoph Neuberger ist seit 2011 Professor für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt "Medienwandel" an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er forscht zum Wandel der Öffentlichkeit im Kontext der Digitalisierung. Sein Vortrag "Wahrheit als Obsession und Option" wurde am 18. Juli 2017 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgezeichnet. Die Folien zum Vortrag haben wir hier hochgeladen. Das Interview mit Alexander Sängerlaub haben wir frisch nach der Wahl geführt.
Mehr zu Fake News und Faktenchecker:
- Fake News - Teil II: Die Neuordnung des Wissens durch das Netz | Hörsaal bei Deutschlandfunk Nova
- Dilemma für Fake-News-Checker | Was mit Medien bei Deutschlandfunk Nova
- Ein Spezial zu Fake News | Bundeszentrale für politische Bildung
- Fake News: Es ist kompliziert | Alexander Sängerlaub auf netzpolitik.org
- Spezial zu Fake News | ARD.de