Big-Data-Kritiker sind allesamt technikfeindliche Pessimisten? Der hier nicht: Markus Morgenroth ist Informatiker und hat jahrelang für ein führendes Unternehmen im Silicon Valley gearbeitet, das Verhaltensdaten analysiert. Was er dort erlebt hat, hat ihn die Seiten wechseln lassen. Heute arbeitet er als IT-Berater und will uns aufklären, was alles mit unseren Daten angestellt werden kann und wird - und warum wir kapieren müssen, dass das ein Problem ist.
"Ich hab doch nichts zu verbergen!" Mit diesem Argument dürft ihr Markus Morgenroth nicht kommen. "Das ist natürlich ein sehr großer Trugschluss", meint er. Denn unter anderem kann die Interpretation von Massendaten zu unserer tatsächlichen Benachteiligung führen. Etwa beim Abschluss einer Versicherung, bei einer Bewerbung oder der Wohnungssuche. Zusätzlich werden Daten auch nicht immer richtig gedeutet. Dabei sieht Morgenroth das Problem nicht mal so sehr bei den großen Datensammlern wie etwa Facebook oder Google, sondern eher bei der Masse an unbekannteren Unternehmen.
"Ich glaube, gerade diese kleinen und mittleren Firmen sind die große Gefahr. Was da mit den Daten passiert, weiß man nicht."
Morgenroth fordert: "Jeder muss wissen, was mit den eigenen Daten passiert." Und das setzt voraus, dass wir um das Sammeln überhaupt wissen. Dass wir im Internet, beim Einkaufen oder beim Telefonieren, eine Datenspur hinter uns herziehen, ist uns ja allen bewusst. Er weist aber auch auf weniger bekannte Datensammelstellen hin: die Schaufensterpuppe mit eingebauter Kamera etwa, die Straßenlaterne, die unsere Handybewegungen ausliest oder das Auto, das unsere Biodaten speichert.
"Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Hersteller einen mittlerweile besser kennen als der eigene Arzt."
Viele Nutzungsarten solcher Daten sind harmlos, meint er, viele aber eben nicht. Wir werden in Schubladen gesteckt, aus unseren Daten lassen sich - tatsächliche oder vermeintliche - Rückschlüsse auch auf solche Eigenschaften und Zustände ziehen, die wir lieber nicht preisgeben wollen. Unsere psychische Gesundheit oder unsere Gemütslage zum Beispiel. Und: Anonym ist nicht anonym, betont Morgenroth: Anhand weniger verfügbarer Parameter ist jeder von uns identifizierbar.
"In vielen Fällen werden diese Daten tatsächlich mit Ihnen als Person verknüpft, um Sie besser einschätzen zu können."
Markus Morgenroth weiß, wovon er spricht. Denn er kennt die Big Data-Welt aus eigenem Erleben. Er hat acht Jahre lang als Datenanalyst für die Firma Cataphora gearbeitet, die für andere Unternehmen Verhaltensdaten von Mitarbeitern sammelt und analysiert. Was er über die Jahre beobachtet hat, habe ihn die Notwendigkeit sehen lassen, Menschen über das aufzuklären, was da eine Vielzahl von Unternehmen im Verborgenen anstellen.
Big Data und informationelle Selbstbestimmung
Heute arbeitet Morgenroth als Berater für Datenschutz und Big Data, schreibt zum Thema und hält Vorträge. So am 8. März 2016 im Rahmen der von der Bundeszentrale für politische Bildung organisierten Reihe Bonner Gespräche, die dieses Jahr unter dem Titel standen: "Big Data und informationelle Selbstbestimmung".
Unser Hörsaal zum Thema "Diskriminierende Daten" vom 21.05.2016
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