Viele Rapper battlen sich in ihren Songs darum, wer der Männlichste unter ihnen ist. Unser Reporter ist selbst MC und hat, was die Männlichkeit im Deutschen Hiphop betrifft, eine musikalische Entwicklung durchgemacht.
Die Rolle des Mannes wird in einer Musikrichtung besonders gern wortreich definiert: im Hiphop. Viele Rapper battlen sich in ihren Songs darum, wer der Männlichste unter ihnen ist. Unser Reporter ist selbst MC und hat, was die Männlichkeit im Deutschen Rap betrifft, eine musikalische Entwicklung durchgemacht.
"Bemerkenswerter Brustumfang, hergestellt durch Muskelkraft, nenn mich eingebildet, ich nenn es auf den Punkt gebracht. (…) Sieh mich nicht als schlechten Menschen an, ich bin schon ein Mädchenschwarm, seit ich denken kann."
Was er da vor etwa acht, neun Jahren getextet hat, ist unserem Reporter Henri Sarafov heute unangenehm, sagt er. Unter dem Pseudonym Henrey ist er selbst MC, Teil der Szene und großer Fan von deutschem Rap. Was er aber inzwischen nicht mehr mag, ist genau dieses Männlichkeitsdenken.
"Männlich" rüberkommen
Wer hat die meisten Frauen, das geilste Auto, wer ist der Größte? In seinem alten Song habe er wahrscheinlich ein bisschen so klingen wollen wie damals Kollegah in seinem Song "(Zeig dem Volk) Wer der Boss". Da heißt es: "Kid, ein rundum gutgebauter Mann, guckst mich an, Muskelstramm, wie ein gutgebauter Blunt."
"Kollegah rappt meistens von seiner Überlegenheit gegenüber allem und jedem. Dass er dicke Muskeln hat, viele Frauen, einen gigantisch großen Penis. Und dass ihn all das eben zu einem echten Mann macht."
Kollegah rappe vor allem davon, wie cool, stark, souverän und potent er ist. Und dass ihn all das eben zu einem echten Mann macht. Und er textet über seinen Disrespect gegenüber Frauen: "Die Exfreundin called, ich gehe nicht ran. Die neue Freundin fragt: wer ist es? Geht dich nichts an! Denn, denn der Boss ist ein Player."
"Schwul" im Hiphop = unmännlich
Früher habe er solche Texte gefeiert und fand sie cool, sagt unser Reporter. So in der Art rappen ganz viele MCs über sich. Er selbst habe aber niemals vorgehabt, ernsthaft nach diesem Männlichkeits-Bild zu leben. Er fand es aber halt einfach cool – und hat es 2015 auch in seinen ersten Rap-Battle "Henrey VS Change" eingebaut: "Eyo, mein Mädchen kann ficken wie ein Biest und hat Titten, die man liebt. Seine Freundin riecht nach Fritten und Benzin und hat ne Stimme, wie der Chief."
"Ich fand es cool, habe aber niemals vorgehabt, ernsthaft nach diesem Männlichkeits-Bild zu leben."
Die Freundin wird zum Statussymbol: Ich bin mehr Mann als du, weil meine Freundin ist hübscher als deine. Oder man bezeichnet den Battle-Gegner als "schwul", weil das im Hiphop "oft immer noch als DAS Unmännlichste angesehen" wird, so Henri Sarafov. Eigentlich hätten er und sein Battle-Gegner Change es "unkreativ" gefunden, solche Männlichkeitsbilder zu bedienen. Trotzdem hätten sie es getan – und seien dafür vom Publikum gefeiert worden.
Turning Point 2019
Heute würde Henrey so etwas nicht mehr rappen. 2019 studierte er in München Soziologie und arbeitete an seiner Bachelorarbeit. Das sei sein Turning Point gewesen. Die Arbeit hat den Titel "Diskriminierung im deutschsprachigen 'Written Acapella Battlerap'" und handelt von Sexismus, Homophobie und Diskriminierung. "Written Acapella Battlerap" sind vorbereitete Live-Battles vor Publikum und ohne Musik.
"Im Battle sehen sich viele in einer Art geschütztem Raum, in dem die eigenen moralischen Prinzipien keine Rolle mehr spielen."
Ein Teil seiner Forschungsergebnisse: Ein Großteil der MCs und des Publikums unterstützen Diskriminierung jeglicher Art außerhalb des Battlekosmos nicht. Sie setzen sich teilweise sogar aktiv dagegen ein. Im Battle sehen sich viele aber in einer Art geschütztem Raum, in dem die eigenen moralischen Prinzipien keine Rolle mehr spielen.
"Der toxischen Männlichkeit in den Texten kann ich einfach nichts mehr abgewinnen."
Es geht nur noch darum, sich verbal fertig zu machen – mit allen Mitteln. Ein krasses Beispiel ist etwa der Battlerapper Yarambo in seinem Rap VS Kato: "Ich werd dich hier und heute kastrieren, du dumme Schwuchtel. Man, wenn du dir einen runterholst, sieht das aus, als würdest du einen Radiergummi benutzen."
Den moralischen Grundsätzen treu bleiben
Nach seiner Bachelor-Arbeit hat Henri Sarafov entschieden, seinen moralischen Grundsätzen ab sofort treu zu bleiben – im Battle und auch in der Musik. Er hört sich jetzt fast keine neuen Kollegah-Tracks mehr an. Wenn doch, dann nur wegen der Wortspiele. Der toxischen Männlichkeit in den Texten kann er nichts mehr abgewinnen. Einige MCs wurden auch schon ausgebuht für homophobe Zeilen, sagt Henri. Und in Internetforen gibt es rege Diskussionen über Diskriminierung und Männlichkeit im Battlerap.