Die brasilianischen Favelas der Großstädte sollten Touristen eher meiden. Für die 26-jährige Studentin Charlotte Wagner gab es aber keinen besseren Ort, um die Hip-Hop-Szene und -Kultur des Landes zu studieren. Sie sagt: Hier ist Hip-Hop nach wie vor politisch. Das haben die brasilianischen Rapper nicht verloren.
Emicida, Racionais Mc's oder Renan Inquérito sind prominente Namen des brasilianischen Hip-Hop, die in Deutschland aber weitestgehend unbekannt sind. So wie die brasilianische Musik insgesamt, ist auch der Hip-Hop äußerst facettenreich, sagt die 26-jährige Studentin Charlotte Wagner, die nach Brasilien gefahren ist, um mehr über den brasilianischen Hip-Hop zu erfahren.
"Der brasilianische Hip-Hop ist nach wie vor sehr politisch. Das hat auch viel mit der prekären sozialen Ungerechtigkeit und politischen Lage in Brasilien zu tun. Das haben die brasilianischen Rapper nicht verloren."
Zwar gibt es auch kommerziellen Hip-Hop in Brasilien, der prahlt und protzt, doch ist Hip-Hop hier nach wie vor das Sprachrohr der Ungerechtigkeit. Das hört man in der Musik vieler Rapper, sagt Charlotte.
Vor allem in den Favelas spielt Hip-Hop eine große Rolle. Fast täglich gibt es hier Rapbattles. "Hip-Hop ist nicht einfach nur eine Randerscheinung oder eine Art sich zu artikulieren, oder ein Hobby, das ist eine komplette Lebensweise", berichtet Charlotte:
"Wenn man sich für Hip-Hop entscheidet, dann lebt man das. Das ist nicht nur der Klamottenstil. Die Menschen denken wirklich in einem anderen Kodex."
Hip-Hop mit seinen Elementen Breakdance und Graffiti ist oft auch die einzige Möglichkeit, Jugendliche einzufangen und von der Straße zu kriegen. Auch NGOs bieten Workshops in den Favelas an.
Für ihre Masterarbeit ist Charlotte monatelang in die Welt des brasilianischen Hip-Hops eingetaucht. Das war ein Abenteuer für sich, sagt sie. Sie musste sich ihren Aufenthalt komplett selbst organisieren und war fast täglich dem Großstadtjungle mit seinen Gefahren ausgesetzt, erzählt sie - auch, wenn sie in den Favelas immer in Begleitung unterwegs war. Schließlich ergab ein Kontakt den anderen, und es eröffneten sich immer mehr Möglichkeiten für Charlotte sich dem Hip-Hop anzunähern:
"Ich habe Rapbattles, Literaturfestivals und Hip-Hop-Workshops besucht. Ich habe wirklich tiefe Einblicke erhalten."
Während ihres Aufenthalts hat die junge Studentin auch die Hip-Hop-Größen des Landes kennengelernt. Das sei schon ein bisschen komisch gewesen, ihnen Fragen für ihre Masterarbeit zu stellen, sagt sie - auch wenn die Gespräche keinem festen Leitfaden folgten, sondern meist aus dem Moment heraus und spontan verliefen.
"Die persönliche Annäherung an das Thema durch meine Besuche in den Favelas, die Begegnungen mit den Menschen, das hätte ich niemals hinbekommen, wenn ich hier in der Unibibliothek geblieben wäre."