Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg. Bis zu sieben Millionen Menschen kostete er schätzungsweise das Leben. Bis heute ist er einer der schlimmsten Kriege, die Europa je gesehen hat. Was können wir daraus lernen? In seinem Vortrag erklärt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler die Gründe für das Ausmaß dieses Krieges und sucht Parallelen zu aktuellen Konflikten. Das Ziel: Aus der Geschichte lernen.
Am 23. Mai 1618 werfen Vertreter der protestantischen Stände zwei königliche Statthalter und einen Kanzleisekretär aus einem Fenster der Prager Burg. Dem sogenannten Zweiten Prager Fenstersturz geht ein Streit zwischen den überwiegend protestantischen Ständen und ihrem katholischen Landesherren über Religionsfreiheit und Verfassungsfragen voraus. Schlimm zu Schaden kommt zum Glück niemand, aber der Vorfall gilt heute als Beginn des Dreißigjährigen Krieges.
"Kann ein so läppisches Ereignis die wirkliche Ursache für einen Krieg sein, der ein Drittel der Bevölkerung auf dem Territorium des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation das Leben kostet?“
In seinem Vortrag erklärt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, dass dieses „läppische Ereignis“ aber nur der Auslöser, nicht die Ursache für die Kriege sein kann, die später unter dem Begriff Dreißigjähriger Krieg zusammengefasst werden.
Millionen von Todesopfern
Drei lange Jahrzehnte überziehen diese Kriege in der Folge das Land. Zahlreiche Armeen und Länder sind daran beteiligt. Es geht um die Macht innerhalb des Reiches, um den Machtkampf zwischen mehreren Ländern, um Religion. Durch die Kämpfe, Krankheiten und Hungersnöte sterben unzählige Menschen, vor allem aus der Landbevölkerung – die Schätzungen gehen bis zu sieben Millionen Toten. Bis heute gilt der Dreißigjährige Krieg als einer der grausamsten, den es je gab.
Der Dreißigjährige Krieg: Blaupause für aktuelle und künftige Konflikte?
Wenn wir verstehen, wie es zu diesem Krieg kommen konnte - und wie ein Friedensschluss gelang - dann ist das eine große Chance für unsere Gegenwart und Zukunft, meint Münkler. Denn die Kriege des 21. Jahrhunderts werden, so vermutet er, dem Typus des Dreißigjährigen Krieges ähneln, der nicht allein durch seine lange Dauer und enorme Grausamkeit gekennzeichnet war:
"Der Typus Dreißigjähriger Krieg ist dadurch gekennzeichnet, dass er von außen nur schwer zu beenden ist und ein militärisches Eingreifen zumeist das Gegenteil dessen bewirkt, was offiziell beabsichtigt ist.“
In seinem Vortrag analysiert Münkler deshalb die Gründe für den Dreißigjährigen Krieg und seinen Verlauf und vergleicht die beobachteten Muster und Mechanismen mit aktuellen Konflikten. Welche Rolle spielt etwa Religion? Welchen Einfluss haben eingreifende Armeen? Warum muss die Zivilgesellschaft so stark leiden? Die Hoffnung: Aus der Vergangenheit lässt sich lernen, die Erkenntnisse helfen bei der Lösung aktueller Konflikte und der Vermeidung neuer.
"Die verschiedenen Kriege im Vorderen Orient – im Norden Syrien, im Süden Jemen, im Osten Mesopotamien respektive Irak und im Westen die Kriege in der lybischen Wüste – haben viele Ähnlichkeiten mit einem Krieg vom Typ Dreißigjähriger Krieg."
Sein Vortrag "Der Dreißigjährige Krieg“, den er am 19.03.2018 am Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden gehalten hat, basiert auf seinem Buch "Der Dreißigjährige Krieg – Europäische Katastrophe, Deutsches Trauma", das nicht nur auf viel Lob, sondern auch auf Kritik gestoßen ist. Auch darauf geht Münkler im Hörsaal-Vortrag ein.
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