Wenn wir eine gewalttätige Sprache haben, bereitet das auch gewalttätigen Handlungen den Grund. In den USA gibt es jetzt für Studenten Einführungskurse für respektvolles Miteinander. Die Sprache spielt da eine große Rolle.
Für Erstsemester-Studenten in den USA werden Kurse angeboten, die ein besseres Miteinander schaffen sollen. Es geht um sogenannte Mikroaggressionen. Die stecken in Begriffen und Formulierungen, die wir meist verwenden, ohne uns groß etwas dabei zu denken, die aber andere diskriminieren oder verletzen. Beispielsweise, wenn jemand auf einen großen Afroamerikaner trifft und direkt fragt, ob er im Basketballteam spielt.
"Dann steckt dahinter natürlich auch ein Klischee, das ich von jemandem aufgrund seines Aussehens im Kopf habe."
Hirnforscher und Neurobiologe Joachim Bauer von der Universität Freiburg sagt: Aggression muss nicht zwingend mit rohen Worten einhergehen. Nicht selten beginnt es subtil. Wenn beispielsweise Minderheiten mit bestimmten Begriffen belegt werden, kann das der Keim für spätere Gewalt sein. Seine These ist, dass die Sprache, die wir benutzen, nicht nur etwas mit anderen macht, sondern auch unser Denken und sogar Handeln bestimmt.
"Es ist wichtig, dass wir mit Menschen, die potenziell Opfer von Gewalt werden können, eine Sprache des Respekts sprechen."
Dass die Sprache Einfluss auf unser Handeln haben kann, kann man mit einem Blick in unser Gehirn erklären. Denn das Sprachzentrum liegt laut Bauer in einer Region unseres Gehirns, in der wir Handlungen planen.
Es gibt auch Theorien, die davon ausgehen, dass Denken und Sprechen Probehandeln ist. Wer also eine gewalttätige Sprache pflegt, ebnet auch den Weg für gewalttätige Handlungen, sagt Bauer.
Man könnte es also auf die vereinfachte Formel bringen: Bei Menschen, die rumbrüllen, ist die Gefahr größer, dass sie zuschlagen.
Umkehrschluss: Freundliche Sprache ebnet freundliches Handeln
Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die ihre Emotionen benennen, die also sagen, dass sie gerade wütend sind - und nicht direkt rumschreien - ihre Emotionen besser in den Griff bekommen.
Insofern sind Kurse, wie sie in den USA angeboten werden, durchaus sinnvoll - auch hier in Deutschland, sagt Hirnforscher Joachim Bauer. Er vermutet, dass sie beim Weg zu einem respektvollen Miteinander helfen können. Sprachwissenschaftler Aria Adli von der Universität Köln hingegen bezweifelt das.
"Nehmen Sie mal den Ausdruck 'Hurensohn'. Ich persönlich würde mich dadurch sehr beleidigt fühlen. In anderen Gruppen steckt da aber gar keine mutwillige Aggression hinter."
Adli leht den Begriff "aggressive Sprache" ab. Aus Sicht des Sprachwissenschaftlers ist es problematisch, in einem Kurs festzulegen, was aggressive Sprache ist und was nicht. Er findet, man solle mehr auf den Kontext achten. Möglicherweise stecken da gar keine bösartigen Intentionen hinter.
Mehr zur Wirkung von Sprache:
- Wer flucht, hat Sprachtalent: Scheiße, wir sind klug! | Sprachwissenschaftler bestätigen: Wer viel flucht, hat einen großen Wortschatz.
- Sprachwandel: Wenn der Kasus im Weg steht | Unsere Sprache wandelt sich.
- Sprachverständnis: Mein Hund versteht mich | Wenn ein Hund versucht Sprache zu entschlüsseln, folgt sein Gehirn den gleichen Prozessen wie das Gehirn eines Menschen.