Hassmails, Morddrohungen - und das alles, weil sie sich für Flüchtlinge einsetzen oder einfach nur ihren Job machen. Lokalpolitiker haben es mancherorts nicht leicht. Der Umgang mit den Anfeindungen wird zur traurigen Routine.
"Dieses Pack gehört gesteinigt und an die Wand gestellt. Allen voran diese erbärmliche Drecksau von OB Jung, dieser Voll-Assi." Die Liste der Hassmails auf dem Zettel, den der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung in der Hand hat, setzt sich Zeile um Zeile fort. Anderes Vokabular, gleicher Tonfall.
Kommunalpolitiker sollen eigentlich Politiker zum Anfassen sein. Diejenigen, die vor Ort gemeinsam nach den besten Lösungen suchen. Jetzt werden sie von anderen angefasst, sehr unsanft mit Beleidigungen und Bedrohungen. Die Flüchtlingskrise hat die Sache verschärft. Hassmails gehören zum Alltag.
"Was mich völlig erschüttert, komplett nicht anonymisiert, ganz offen mit Namen, Adresse, identifizierbar..."
Auch wenn es nur wenige sind und die Mehrheit hinter ihrem Oberbürgermeister steht - Zeilen wie diese treffen doch. In letzter Zeit werden sie häufiger: Erst polarisierte eine Debatte um den Bau einer Moschee die Stadt, seit gut einem Jahr kam noch Legida, der Leipziger Ableger von Pegida, als Konfliktherd dazu. Bei manchen Auftritten steht Oberbürgermeister Burkhard Jung mittlerweile unter Polizeischutz.
Anderer Ort, gleiches Muster
Markus Nierth ist auch Bürgermeister - nein, er war Bürgermeister: im kleinen Ort Tröglitz, in Sachsen Anhalt. In die Schlagzeilen kam er vor gut einem halben Jahr, als er wegen Drohungen des rechten Mobs zurücktrat. Es ging um eine NPD-Demo gegen die geplante Unterbringung von Asylbewerbern, die direkt an Nierths Privathaus vorbeiführen sollte. Aus der Unterbringung wurde nichts, das Asylheim wurde angezündet. Und auch Nierth bekommt immer noch Drohungen.
"Wenn es die Rechten schaffen ihre Räume immer weiter auszudehnen und mit ihrem destruktiven, hasserfüllten Geplärre vorwärtsstürmen, dann kann es sein, dass die Menschen, die sich noch aktiv dagegen einsetzen, auch wegbrechen. Und dann Gnade uns Gott."
Leipzig, Tröglitz - man kann noch weitere Orte aufzählen, in denen Ähnliches passiert. Orte, in denen gewählte Politiker bedroht werden, weil sie Flüchtlingen helfen wollen, die auf der Suche nach Sicherheit zu uns kommen. Absurderweise verlieren durch die Bedrohungen auch die Politiker ein Stück ihres Heimatgefühls. Und doch kann Demokratie nur funktionieren, wenn sich die Menschen weiter mutig engagieren.
Wir erzählen Eure Geschichten
Habt ihr etwas erlebt, was unbedingt erzählt werden sollte? Dann schreibt uns! Storys für die Einhundert sollten eine spannende Protagonistin oder einen spannenden Protagonisten, Wendepunkte sowie ein unvorhergesehenes Ende haben. Im besten Fall lernen wir dadurch etwas über uns und die Welt, in der wir leben.
Wir freuen uns über eure Mails an einhundert@deutschlandfunknova.de