Dass Kinder sexuell missbraucht werden, passiert jeden Tag. Manche Straftaten können die Behörden verhindern, andere erst im Nachhinein aufklären. Hans Joachim Leon vom Bundeskriminalamt erzählt aus seinem Berufsalltag.
Mitte April ist eine der wohl größten Darknet-Plattformen abgeschaltet worden, auf der Missbrauchs-Bilder und -Videos von Kindern und Jugendlichen ausgetauscht wurden. Knapp zwei Jahre lang hatten die Ermittler vom Bundeskriminalamt auf diesen Augenblick hingearbeitet.
"Sie werden Zeuge von Straftaten, die sie nicht verhindern können", sagt Hans Joachim Leon. Er leitet beim Bundeskriminalamt die Gruppe "Gewalt- und Sexualdelikte". Mit seinem Team und zusammen mit der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt hat er es geschafft, im April 2021 die Darknet-Plattform "Boystown" lahm zu legen.
"Es hört sich brutal an, aber die Plattform war kundenorientiert aufgebaut", sagt Leon. Verschiedene Unterbereiche zu verschiedenen Themen gab es genauso wie Sicherheitshinweise, um sich sicher auf der Plattform zu bewegen.
"Wir gehen auch im Darknet auf Streife."
Auf "Boystown" wurden Bilder und Video getauscht, auf denen sexualisierte Gewalt gegen Jungs gezeigt wurde. Online gegangen war die Plattform wohl im Frühsommer 2019, im April 2021 hatte sie bereits 400.000 registrierte User.
Zu diesem Zeitpunkt wurden mehrere Durchsuchungen durchgeführt, unter anderem in Deutschland und Paraguay. Dabei wurden die drei mutmaßlichen Betreiber der Plattform festgenommen. Zwei Jahre lang hatten die Ermittelnden daran gearbeitet, die Puzzle-Stücke zusammenzufügen.
Unter anderem helfen die Missbrauchs-Bilder dabei, den Tätern auf die Spur zu kommen. "Das kann mal ein Fliesenmuster im Hintergrund sein, ein Schriftzug oder ein Logo", sagt Leon. Gibt es Hinweise darauf, dass die Opfer aus Deutschland kommen könnten, gehen die Ermittler auch immer wieder über die Schulen. Dort können Lehrerinnen und Lehrer dann teilweise die Opfer identifizieren. "Unser Hauptziel ist es, Kinder da raus zu holen. Daraus ziehen wir unsere Motivation", sagt Leon.
Für die Ermittlerinnen und Ermittler ist das auch emotional ein hoch anstrengender Job.
"Die Strafe darf nicht Maßstab unseres Handelns sein."
Die Zahl der Straftaten steigt in gewissen Bereichen. In 2020 gab es mehr als 18.000 Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder in Deutschland, das ist laut polizeilicher Kriminalstatistik ein Plus von 53 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Oft wird bei solchen Straftaten immer noch von Kinderpornografie gesprochen, weil das die Formulierung im Strafgesetzbuch ist. Etliche Kritiker bezeichnen den Begriff allerdings als verharmlosend. Es gehe vielmehr um die Abbildung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.
Die Gesetzeslage soll sich in Zukunft ändern. In Zukunft wird der Besitz solcher Bilder und Videos als Verbrechen eingestuft, also mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht.
Im Deep Talk mit Sven Preger spricht Hans Joachim Leon darüber, wie man im Darknet ermittelt, wie die Plattform lahmgelegt wurde, wie Täter und Opfer gefunden werden.
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