Der Hambacher Forst wird geräumt. Der Energiekonzern RWE will pünktlich zum 1. Oktober mit der Rodungssaison beginnen. Das Argument: Sonst gehen in NRW demnächst die Lichter aus. Unser Energieexperte Jürgen Döschner sagt: Das stimmt so nicht.
Der Hambacher Forst wird seit Donnerstag (13.09.) geräumt, obwohl Aktivisten weiter dagegen demonstrieren und obwohl viele sagen: Jetzt lasst uns doch zumindest die Entscheidung der Kohlekommission abwarten. Die Kommission arbeitet zurzeit im Auftrag der Bundesregierung bis Ende 2018 eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung aus.
RWE aber sagt: Nein, wir können nicht warten. Vorstandsmitglied Lars Kulik hat das heute Morgen im WDR so begründet: "Wenn wir vor dem Wald stehen, dann bleibt kurze Zeit später der gesamte Tagebau stehen, und dann kommt die Kohleversorgung zum Erliegen. Und damit können wir auch die Energieversorgung aus dem Tagebau Hambach – also rund 15 Prozent der Stromerzeugung für NRW – nicht mehr weiter zur Verfügung stellen."
Der Strom geht uns nicht aus
Klingt fast so, als würden in NRW die Lichter ausgehen, wenn jetzt nicht sofort weiter im Hambacher Forst gerodet wird. Der Energieexperte Jürgen Döschner sieht das etwas anders. Er sagt: "Tatsache ist, dass wir in Deutschland so viel Strom produzieren, dass wir jede Menge exportieren – jedes Jahr mehr exportieren. 60 Milliarden Kilowattstunden waren es im vergangenen Jahr."
Der Strommarkt in Deutschland oder auch in Europa sei so gut vernetzt, erklärt Döschner, dass zum Beispiel im Fall eines Stromausfalls in NRW ein anderes Bundesland aushelfen könnte oder, wenn der Strom in ganz Deutschland knapp wird, auch ein Nachbarstaat. "Das ist sehr eng miteinander abgestimmt und ist Alltag."
"RWE hat große wirtschaftliche Interessen in diesem Tagebau und versucht, sich auf diese Weise zu wehren."
Die Umweltschutzorganisation Bund hat außerdem ausgerechnet, dass RWE noch zwei bis drei Jahre weiterbaggern könne, ohne dass sofort der Hambacher Forst abgeholzt werden müsse.
Jürgen Döschner sagt, das stichhaltigste Argument dafür, dass RWE weiter baggern darf, ist, dass das Unternehmen eine Genehmigung dafür hat. "Rein rechtlich hat man die Genehmigung, aber ob das auf der anderen Seite als Argument gegen die Gefahr des Klimawandels ausreicht, das ist die große Frage."
"Jede Kilowattstunde, die wir nicht verbrauchen, muss auch nicht produziert werden."
Warum also beharrt RWE so sehr auf sein Recht und die Rodung und wartet nicht noch drei Monate, bis die Kohlekommission eine Entscheidung getroffen hat? Jürgen Döschner vermutet, dass der Energiekonzern Angst hat vor der Diskussion und der Entscheidung der Kommission. Der Energieexperte interpretiert das aktuelle Vorbereiten der Rodungssaison im Hambacher Forst als Provokation von RWE, denn schließlich sitze man derzeit noch gemeinsam am Tisch, um über den Kohleausstieg zu diskutieren. Döschner glaubt, "dass man mit dieser Aktion die Kohlekommission gewissermaßen sabotieren und zu Fall bringen will."
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