Der Hambacher Forst bleibt – so zumindest wird der Plan der Kohlekommission für den Ausstieg aus der Kohleverstromung vielfach interpretiert. Dabei steht das so in dem Konzept der Kommission gar nicht drin.
Die Kohlekommission hat einen Plan vorgelegt, wie der Ausstieg aus der Kohleverstromung in Zukunft stattfinden soll. Nach Bekanntwerden des Plans haben sich viele Menschen über einen Sieg der Umweltaktivisten gefreut, die für den Erhalt des Hambacher Forsts gekämpft haben.
Aber: Von einer endgültigen Rettung des "Hambi" steht in dem Papier gar nichts drin. Stattdessen steht dort nur, dass die Zulassung für den Tagebau Hambach noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist und "die Inanspruchnahme von bewaldeten Flächen des Hambacher Forsts derzeit nicht zulässig" ist. Klar sagt die Kommission nur, dass sie den Erhalt des Hambacher Forsts "wünschenswert" findet.
"Die Kommission hält es für wünschenswert, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt."
"Wünschenwert" ist eine ziemlich vage Formulierung. Das finden auch die Aktivisten, die noch immer im Hambacher Forst leben, erklärt NRW-Korrespondent Moritz Küpper. Er hat die Menschen im Hambacher Forst gefragt, was sie von den Plänen halten und festgestellt: Die sind wenig begeistert von dem, was nach monatelangen zähen Verhandlungen letztendlich als Kompromiss herausgekommen ist: Nämlich eine Entschädigung für RWE und wenig Verbindlichkeit.
"Das hätte man auch in einer Viertelstunde am Telefon klären können: Ihr wollt viel Geld? Okay. Wie viel wollt ihr haben? Nicht genug? Dann kriegt ihr so viel. Ja und wär schön, wenn der Hambacher Forst erhalten bleiben würde."
Ohnehin ist das Vertrauen der Aktivisten in die Akteure auf Seiten der Kohlekommission sehr gering. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Zeitpunkt des Ausstiegs. Nach den Plänen der Kohlekommission soll der bis 2038 stattfinden. Die Aktivisten im Hambacher Forst aber fordern einen sofortigen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Außerdem soll RWE kein Geld bekommen, wenn es nach ihnen ginge.
Hambacher Forst: Aktivisten wollen erstmal bleiben
Deshalb sehen die Aktivisten im Hambacher Forst aktuell auch keinen Grund, das Gelände zu verlassen. Im Gegenteil: Es gibt Aufrufe, weiter in dem Wald zu bleiben. Zum Beispiel von Antje Grothus, die als Vertreterin für eine Bürgerinitiative vor Ort Mitglied der Kohlekommission ist.
Wie viele Menschen aktuell genau im Hambacher Forst leben, kann niemand so genau sagen. Mitte Januar 2019 haben Behörden "48 bis 49 Strukturen" identifiziert, das heißt Baumhäuser oder Vorbereitungen für Baumhäuser, erklärt Moritz Küpper. Viele von ihnen kämpfen weiter für den Kohleausstieg und den Erhalt des Hambacher Forsts. Das ist aber nicht das einzige Motiv der Aktivisten, erklärt Fred*. Es gehe auch um eine alternative Form von Sozialgemeinschaft.
"Du hast in Deutschland sehr wenig unkommerzielle Räume, und dieser Wald hat sich zu einem der größten in Deutschland entwickelt. Ich weiß nicht, ob alle gehen würden, wenn der Kohleausstieg da ist."
Das heißt: Selbst wenn der Kohleausstieg im Sinne der Empfehlung der Kommission beschlossen würde, wäre es längst nicht sicher, dass alle Menschen, die aktuell im Hambacher Forst leben, den auch wieder verlassen.
*Fred ist ein "Waldname". Das sind Namen, die sich die Aktivisten geben, um ihre Identität zu schützen.
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