Es soll eine klarere Unterscheidung zwischen Werbung und Information geben – das ist der zentrale Punkt, auf den sich die Große Koalition am Dienstag (29.01.) in Sachen Paragraf 219a geeinigt hat. Der Gynäkologin Nora Szász geht das nicht weit genug. Sie sagt: Die Abschaffung von Paragraf 219a wäre die beste Lösung.
Die Gynäkologin Nora Szász aus Kassel wurde im vergangenen Jahr angeklagt. Sie hatte auf ihrer Website darauf hingewiesen, dass sie Abtreibungen durchführt. Wir haben mit ihr über den neuen Gesetzentwurf gesprochen. Sie freut sich erst einmal darüber, dass die Große Koalition ihren Zeitplan eingehalten hat und wie angekündigt, im Januar einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Und sie begrüßt natürlich auch, dass alle Parteien bemüht sind, eine Lösung zu finden. "Die Bundesregierung trage hier offensichtlich dem Engagement einiger Ärztinnen und Ärzten und auch der Stimmung in der Bevölkerung Rechnung", sagt Nora Szász.
Geist der Vergangenheit
Ein wichtiges Ziel der Regierungskoalition sei es gewesen, den Paragrafen 219a beizubehalten, sagt Nora Szász. Sie hält es dagegen immer noch für die einfachste Lösung, den Paragrafen ganz abzuschaffen, weil er von Abtreibungsgegnern missbraucht und instrumentalisiert wurde und wird.
Außerdem weist sie darauf hin, dass 219a einst von den Nationalsozialisten eingeführt worden sei, um Ärzte auszugrenzen und zu stigmatisieren. Und diesen Geist der Vergangenheit hätte der Gesetzgeber am besten vertreiben können, wenn er den Paragrafen einfach gestrichen hätte. Nora Szász ist überzeugt: Das Schutzkonstrukt falle nicht in sich zusammen, wenn der Paragraf 219a verschwindet – gerade, weil er im internationalen Vergleich einzigartig sei.
"Für mich stellen sich noch viele Fragen, die im Gesetzentwurf nicht en détail ausgeführt sind."
Nora Szász ist als angeklagte Ärztin ganz persönlich betroffen. Für sie stellt sich daher die Frage, ob im Zuge der Neuregelung das Verfahren gegen sie eingestellt wird – und wie es ihren Kolleginnen und Kollegen ergeht, die sich ebenfalls vor Gericht verantworten mussten. Außerdem ist weiterhin unklar, ob und wie sie künftig auf ihrer Website über Abtreibungen informieren darf. Auch deshalb will sie mit ihrem abschließenden Urteil über den Gesetzentwurf noch warten.
"Das es so viele Einschränkungen gibt, das widerspricht einer freiheitlichen Informationsgesellschaft."
Auch an der zentralen Liste, anhand derer sich Frauen über Abtreibungen informieren sollen, gibt es weiterhin viel Kritik. Vor allem, weil sie ständig aktualisiert werden muss. Auch deshalb stellt sich für Nora Szász die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn das jede Ärztin und jeder Arzt auf seiner eigenen Website übernimmt. Außerdem fürchten Kritiker, dass sich nicht alle Praxen auf die Liste setzen lassen – aus Angst, auf einer "schwarzen Liste" zu landen, die Abtreibungsgegner nur noch abarbeiten müssen.
Wenn sich bestätigen sollte, dass Ärzte künftig nur noch angeben dürfen, ob sie eine Abtreibung durchführen oder nicht – und keinen Satz mehr – widerspricht das für Nora Szász der Art und Weise, wie Ärzte arbeiten sollten. Ihr geht es darum, Patientinnen gut zu informieren. Sie sieht die Gefahr, dass es Ärzten schon untersagt sein könnte, darauf hinzuweisen, ob sie einen Schwangerschaftsabbruch medikamentös oder operativ durchführen.
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