Nespresso-Kapseln, Palmöl, billige Klamotten - unsere Läden sind voll mit Produkten fraglicher Herkunft. Und trotzdem kaufen wir sie - zu oft. Auch weil viele Unternehmen perfides Greenwashing betreiben. Die Journalistin Kathrin Hartmann regt das auf. Sie sagt: Die Politik ist in der Verantwortung. Sie muss endlich dafür sorgen, dass Konzerne auf die Umwelt und ihre Beschäftigten achten.
Auf der ganzen Welt zerstören Unternehmen die Umwelt und beuten Menschen aus, zum Beispiel in Textilfabriken in Bangladesch, auf Palmöl-Plantagen in Indonesien oder in Minen in Afrika, in denen seltene Erden abgebaut werden.
Werden Politiker und Unternehmen gefragt, ob sie bestimmte Entwicklungen und Zustände für problematisch halten, bestätigen sie das in der Regel. Immerhin. Für die Arbeiter in Indonesien oder Bangladesch ändert sich dadurch aber noch lange nichts. Die Frage ist also: Welche Konsequenzen werden von der Politik gezogen?
Abwälzen der Verantwortung
Die Journalistin Kathrin Hartmann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit globalem Handel, Menschenrechten und Umweltzerstörung durch große Konzerne - etwa in ihrem Buch "Die grüne Lüge". Sie sagt: Politiker wälzen das Problem auf uns, die Verbraucher, ab. Denn wir könnten uns im Supermarkt ja für die "guten" Produkte entscheiden. Die Konzerne aber ändern de facto wenig bis nichts und denken sich lieber noch ein weiteres Siegel aus, das ihren Produkten einen grünen Anstrich verleiht. Sie betreiben Greenwashing.
"Warum sollen wir uns im Supermarkt entscheiden zwischen einem Scheiß-Produkt und einem angeblich besseren Produkt? Wenn es wenige gute gibt, dann heißt das ja, dass der Rest Mist ist."
Kathrin Hartmann war in vielen Ländern der Welt und hat vor Ort recherchiert, wie sich die angeblichen Aktivitäten der Unternehmen von der Wirklichkeit unterscheiden. Sie war etwa auf einer Palmöl-Plantage, die vom deutschen TÜV zertifiziert wurde und sagt: "Ich weiß nicht, ob die Kontrolleure so tief reingefahren sind, wo die Arbeiter wie Sklaven behandelt werden. Und ja: Ich habe auch Kinderarbeit gesehen."
Kathrin Hartmann plädiert dafür, das ganze Thema Nachhaltigkeit zu entindividualisieren. "Wir müssen das auf eine höhere, auf eine politische Ebene heben." Sie nennt zwei Gründe:
- Sind wir uns einig, dass es vorwiegend die Verantwortung jedes Einzelnen ist, Produkte zu kaufen, die nicht unter umweltschädlichen und menschenverachtenden Bedingungen entstanden sind, dann ist die Politik außen vor und muss im Zweifelsfall gar nichts machen. Und die Unternehmen machen genau das, was nichts verbessert: Greenwashing - also den Verbrauchern vorgaukeln, sie würden ein gutes Produkt kaufen.
- Fühlt sich die Politik verantwortlich, ist der Effekt viel größer. Sie könnte Regeln für Unternehmen einführen und deren Einhaltung kontrollieren. So hätte der Verbraucher keine Wahl mehr und auch keine Qual der Wahl mehr. Denn alle angebotenen Produkte könnte er ohne schlechtes Gewissen kaufen. Hinzu kommt: Bei strengen Regeln und echter Kontrolle braucht es keine Siegel und Label.
"Der Entwicklungsminister zeigt auf den Einzelnen und sagt: 'Ihr kauft ja diese Klamotten.' Das ist eine Frechheit."
Warum verbindliche Regeln nötig wären, die das Handeln von Unternehmen regulieren, zeigen verschiedene Beispiele, die Kathrin Hartmann recherchiert hat:
- In Indonesien zum Beispiel wächst Palmöl auf einer Fläche, vier Mal so groß wie die Schweiz. Die Plantagen sind Monokultur pur, für die quadratkilometerweise Regenholz gerodet wurde. Indigene Völker wurden vertrieben. Und weil die zu erntenden Mengen pro Person so hoch sind, dass das niemand alleine schaffen kann, holen die Arbeiter ihre Familien und Kinder dazu, die mitarbeiten.
- In Bangladesch ist im Jahr 2012 eine Produktionshalle abgebrannt, bei der über 100 Arbeiter starben. Kathrin Hartmann: "Niemand sitzt im Gefängnis, niemand musste verbindlich Entschädigungen bezahlen." Aber auch hier wurde Greenwashing betrieben, sagt die Journalistin: "Es wurde ein Fonds eingerichtet, der zynischerweise Spendenfonds genannt wurde."
- Elektroautos gaukeln vor, man würde nachhaltig Auto fahren. Tatsächlich müssen die Rohstoffe für das Auto und die Batterie (Lithium) abgebaut und gefördert werden. Kathrin Hartmann sagt: "Jede Demonstration für eine autofreie Innenstadt bringt mehr als Elektromobilität."
"Es gibt UN-Regeln, dass Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden, die in ihrer Lieferkette Menschenrechtsverletzungen begehen. Dagegen wehrt sich die Bundesregierung mit Händen und Füßen."
"Wir sollten die Unternehmen auslachen"
Obwohl Kathrin Hartmann in erster Linie die Politik in der Verantwortung sieht, könnten die Verbraucher durchaus aktiv werden: Demonstrieren und ihre Wut zeigen. Und: Unternehmen auslachen, die so tun, als würden sie nachhaltig handeln. "Wenn man die nicht mehr ernst nimmt in ihrem ganzen Greenwashing-Quatsch, dann sind wir einen Schritt weiter", sagt Kathrin Hartmann.
Menschen, die mutig für Veränderungen kämpfen
Einige positive Entwicklungen hat die Journalistin aber auch erlebt auf ihren Reisen: In Indonesien hat sich eine Gruppe in Gerichtsverhandlungen ein Stück Wald zurückerkämpft, ein Manager musste ins Gefängnis. In einer Ausbeuter-Plantage hat sich eine Gewerkschaft gegründet. "In jedem Land habe ich solche Entwicklungen gesehen. Das macht Mut."
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