Eine US-Jury in San Francisco kommt im Prozess um die Krebserkrankung eines Mannes einstimmig zu dem Urteil, dass ein Produkt mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat ein "erheblicher Faktor" für die Krankheit des Klägers sei. Ein unerwarteter Rückschlag für den Bayer-Konzern - mit hoher Signalwirkung für über 11.000 weitere Klagen.
26 Jahre lang habe der US-Amerikaner Edwin Hardeman mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat gearbeitet und das Produkt dabei mehr als 300 Mal angewendet, sagte Hardemans Anwältin Aimee Wagstaff in einem Gerichtsprozess in San Francisco um die Krebserkrankung ihres Mandanten. Die Jury kam nun zu folgender Entscheidung: Das glyphosathaltige Mittel Roundup habe zur Krebserkrankung von Edwin Hardeman beigetragen. Die Vorwürfe hat das Unternehmen entschieden zurückgewiesen, sagt Jule Reimer aus unserer Wirtschaftsredaktion.
"Die Jury hat geurteilt, das glyphosathaltige Mittel Roundup sei ein erheblicher Faktor bei der Entstehung der Krebserkrankung von Edwin Hardeman gewesen."
Der Gerichtsprozess um die Erkrankung des US-Amerikaners ist ein zweigeteilter Prozess: In der ersten Phase sollte rein wissenschaftlich und vorurteilsfrei beurteilt werden, ob es überhaupt eine Verbindung zur Krebserkrankung geben könnte. In einer zweiten Phase gehe es nun um die Frage der Täuschung und des Fehlverhaltens seitens des Konzerns, so Jule Reimer. Die Zweiteilung des Prozesses galt eigentlich als gute Ausgangsposition für den Bayer-Konzern. Bayer ließ verlauten, dass man zuversichtlich auf den zweiten Teil des Prozesses blicke.
Der aktuelle Fall wird vor einem Bundesgericht verhandelt und stehe exemplarisch für 700 andere Fälle, die dort gebündelt seien, so unsere Wirtschaftsexpertin. Rechtlich bindend sei die Entscheidung zwar nicht, aber sie habe eine starke Signalwirkung. Ziemlich selbstbewusst habe der Konzern Rückstellungen nur für die Prozesskosten getroffen, nicht aber für mögliche Entschädigungszahlungen. Bereits 2018 wurde Monsanto - damals noch nicht Teil des Bayer-Konzerns - in einem Gerichtsprozess zur Zahlung in der Höhe von über 70 Millionen US-Dollar an einen an Krebs erkrankten US-Schulhausmeister verurteilt. Bei nun 700 gebündelten Fällen mit über 11.000 Klagen könne das für Bayer richtig teuer werden, meint Jule Reimer.
"Wir haben hier 700 Fälle gebündelt, insgesamt über 11.000 Klagen. Das heißt, das kann richtig teuer werden."
Jetzt komme es erstmal darauf an, zu erfahren, auf welcher wissenschaftlichen Basis die Jury zu ihrer Schlussfolgerung gekommen ist, dass es eine Verbindung zwischen dem Mittel Roundup und der Krebserkrankung gibt. Außerdem sei die Frage zu klären, welche wissenschaftlichen Studien das Gericht dafür zugelassen habe.
Bayer muss den Blick auch nach Europa richten: Auch hier gebe es Klagen gegen den Konzern, wenngleich nicht in so hoher Zahl wie in den USA, wie Jule Reimer berichtet. Außerdem habe der Europäische Gerichtshof Anfang März 2019 die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA dazu verpflichtet, alle Studien der Industrie, die für die Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat von Bedeutung waren, im Detail zu veröffentlichen. Und drittens wolle die französische Verbraucherschutzbehörde Anses eine ausdrücklich unabhängige Studie zur Gefährlichkeit von Glyphosat erstellen, sagt Jule Reimer.
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