Da reiben wir uns die Augen - plötzlich soll alles ganz schnell gehen: Die SPD will noch diese Woche eine Abstimmung über die "Ehe für alle" im Bundestag, gegen den Willen der Union.
Seit Jahren wird über das Thema diskutiert, auch in der Politik - über die sogenannte "Ehe für alle", also die Ehe für homosexuelle Paare.
Schon seit längerem befürworten eigentlich alle Parteien im Bundestag die gleichgeschlechtliche Ehe - mit Ausnahme von CDU und CSU. Die SPD hat sich aber aus Koalitionsgründen bislang nicht gegen die Meinung ihres Koalitionspartners gestellt.
Das ist nun vorbei: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will eine schnelle Abstimmung über die Ehe für alle in Deutschland. Und zwar noch diese Woche.
"Es ist für die SPD die Möglichkeit, nochmal einen Erfolg in dieser Koalition vorweisen zu können und gleichzeitig auch allen anderen möglichen CDU-Koalitionspartnern ein Thema aus der Hand zu nehmen."
Wenn der Fraktionszwang aufgehoben wird - was inzwischen geschehen ist - gilt eine Mehrheit im Bundestag für die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare als sicher.
Merkels neue Linie
In das festgefahrene Thema kommt Bewegung, seit Bundeskanzlerin Angela Merkel von ihrem klaren "Nein" abgerückt ist. Bei einer Publikums-Diskussion in Berlin zeigte sie sich plötzlich offen für Veränderung. Sie betonte aber auch, dass sie sich eine Diskussion mit Respekt wünsche und mit Achtung vor der Meinung anderer.
"Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist, als dass ich jetzt per Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke."
"Das Thema lag in der Luft", sagt Hauptstadt-Korrespondentin Gudula Geuther. Denn von allen Parteien, die eine Chance haben, in den Bundestag zu kommen und somit nach der Wahl zum Koalitionspartner werden könnten, stehe nur noch die AfD gegen die Ehe für alle.
Allerdings sei die Union bei diesem Thema gespalten, so Geuther: "Es gab schon seit langer Zeit Stimmen in der CDU, die für eine Öffnung der Ehe plädiert haben." Aber es gebe eben auch konservative Abgeordnete, die dem kritisch gegenüber stehen.
Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist schon längst für die gleichgeschlechtliche Ehe - rund 83 Prozent gaben das zuletzt in einer Umfrage an.
Nun soll alles ganz schnell gehen - und vermutlich wird es das auch, sagt unsere Korrespondentin: "Technisch geht das, weil es schon Gesetzentwürfe gibt, die im Rechtsausschuss liegen. Die erste Lesung war schon."
Einer dieser Gesetzentwürfe stammt vom Bundesrat. Darum könnten sich die Abgeordneten diesem gut anschließen, meint Geuther. Der Entwurf sieht vor, dass auch gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe - mit allen Rechten und Pflichten - schließen können.
"Das, was für gleichgeschlechtliche Paare bisher auch nicht über Umwege geht, ist die Neugeborenen-Adoption."
Hintergrund:
Seit 2001 können homosexuelle Paare vor dem Standesamt eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen. Das Paar hat dann ehe-ähnliche Rechte, darf aber kein Neugeborenes adoptieren.
Die "Homoehe" gibt es weltweit in rund 20 Ländern, unter anderem in den USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Schweden, Spanien oder in Südafrika und Taiwan. Vorreiter waren die Niederlande.
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