Immer wieder werden in Syrien Chemiewaffen eingesetzt. Weswegen sind die Angriffe so schwierig zuzuordnen? Wir haben mit unserer Korrespondentin gesprochen.
Im syrischen Duma in Ost-Ghouta soll wieder Giftgas eingesetzt worden sein. Das teilte die syrische Hilfsorganisation Weißhelme mit. Der Angriff war der Grund für die erneute Drohung der USA mit Raketenschlägen.
Wir haben mit unserer Korrespondentin Anna Osius über den Angriff in Duma und generell über Giftgasattacken in Syrien gesprochen.
Schon jetzt stehen sich zwei Deutungsansätze gegenüber: Die Weltgesundheitsorganisation WHO bestätigt die Berichte über hunderte Tote und Verletzte – Syrien und das verbündete Russland streiten ab.
"Die WHO sagt, sie hat Meldungen von 500 Patienten, die mit Symptomen behandelt werden, die eindeutig nach dem Einatmen von Giftgas sehr typisch seien."
Chemischer Angriffe zu beweisen, sei grundsätzlich schwer, sagt unsere Korrespondentin. Zum einen sei der Zugang zu den Orten, an denen die Kampfmittel nachgewiesen werden sollen, häufig durch anhaltende Kämpfe erschwert. Zusätzlich werden die Inspekteure dann immer wieder an ihrer Arbeit gehindert.
Mühsam müssen sie Indizienketten erstellen. Das gelingt ihnen nur manchmal. Beispielsweise bei einem früheren Angriff in Ost-Ghouta.
"Es wurden Proben von Sarin, die aus den Assadbeständen sichergestellt wurden, mit Proben aus Ost-Ghouta und auch aus Chan Scheichun verglichen. Hier gibt es eine frappierend eindeutige Übereinstimmung ihrer Zusammensetzung."
Eigentlich sollte das syrische Regime nicht mehr über chemische Kampfstoffe verfügen. Im Jahr 2014 war die gemeinsame Entwaffnungsoperation der Vereinten Nationen und der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) abgeschlossen worden. Auf dieses Verfahren hatten sich die USA und Russland nach verheerenden Angriffen mit dem Kampfmittel Sarin und vermutlich Hunderten oder Tausenden Toten geeinigt. Die UN sind überzeugt, dass diese und weitere Giftgas-Attacken von syrischen Regierungstruppen ausgeführt wurden. Russland und Iran machen Rebellen dafür verantwortlich.
Seit der Entwaffnungsaktion melden Beobachter schon rund 50 Angriffe mit chemischen Waffen in Syrien – darunter viele kleinere, über die nur selten berichtet wird. Einer der größeren war im April 2017 in Chan Scheichun – mit über 80 Toten. Auch in diesem Fall waren sich UN und OPCW einig, dass Diktator Assad dafür verantwortlich sei.
Beidseitige Kriegspropaganda
Beide Seiten betreiben aufwendige Propaganda. Sie versuchen, die Öffentlichkeit mit Nachrichten zu beeinflussen und dem Gegner Kriegsverbrechen zuzuschreiben. Die Aufständischen verbreiten die Fotos von Opfern der Giftgasangriffe, oft von Kindern, auf allen Kanälen. Ihr Ziel sei, so Anna, den Druck auf den Westen zu erhöhen. Die pro-syrische Seite arbeitet in die Gegenrichtung.
"Assad und Russland nahestehende Medien berichten schon seit Wochen, dass die Aufständischen einen Giftgasangriff planen würden."
Das Ergebnis des Angriffs in Duma ist jedoch eindeutig, findet Anna. Die letzte verbleibende Rebellengruppe Dschaisch al Islam hat sich zum Abzug bereit erklärt. Ost-Ghouta ist nun wieder völlig in der Hand syrischer Regierungstruppen.
Auch für Frankreich stellt sich die Frage, ob das Land einen US-Angriff auf syrische Regierungstruppen militärisch unterstützt. Darüber haben wir in einem weiteren Gespräch mit unserem Korrespondenten in Paris, Marcel Wagner, gesprochen. Er sagt:
"Emmanuel Macron will, das Frankreich Vergeltung übt, wenn es denn zu diesem Chemiewaffeneinsatz gekommen ist. Er hat immer gesagt, dass Chemiewaffen gegen internationales Recht verstoßen und das muss geahndet werden."
Mehr zum Thema Giftgas in Syrien bei Deutschlandfunk Nova:
- Giftgas in Syrien | Womit die Menschen getötet wurden
- Kriegsreporter Carsten Stormer im Jahr 2017 | "Das ganze Land Syrien ist kaputt!"
Mehr zum Thema Giftgas in Syrien online:
- Giftgaseinsätze in Syrien | Die schwierige Suche nach dem Täter
Wir haben beide Gespräche am 12. April geführt und gesendet. Die Lage in Syrien kann sich jederzeit ändern. Aktuelle Informationen gibt es bei unseren Nachrichten und bei Dlf24.de.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de