Ein schweres Unwetter hat die Nase eines Airbus der Austrian Airlines abgerisssen und die Cockpitscheiben beschädigt. Laut Flugmeteorologe Klaus Sturm ist beim Landeanflug auf Wien wohl "einiges schiefgegangen". Die Vorhersagen für die Cockpitbesatzung seien stets aktuell. Durch Warnsysteme und Schulungen reagieren die Piloten in aller Regel sehr umsichtig.

Viele Fluggesellschaften arbeiten mit den Prognosen des Deutschen Wetterdienstes (DWD), die Flugmeteorologe Klaus Sturm erstellt. In den heißen Sommermonaten kommt es durch die große Hitze und die starken Temperaturschwankungen immer wieder zu starken Gewittern und Unwettern.

Momentan sei die Wetterlage im Alpenraum von diversen Gewitterzellen geprägt, erklärt Klaus Sturm. Der Hagelsturm, der beim Landeanflug auf Wien die Nase eines Airbus der Austrian Airlines abriss und die Cockpitscheiben schwer beschädigte, sei daher an sich nichts Außergewöhnliches gewesen. Alle Insassen blieben unverletzt.

"So super war diese Supergewitterzelle gar nicht. Im Alpenraum und östlich davon sind diverse Gewitter unterwegs."
Klaus Sturm, Flugmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst

Die Wetterdaten des DWD und der Kolleg*innen aus Österreich zeigten, dass es immer wieder Gewitter rund um den Airport in Wien gibt, sagt Klaus Sturm. In den Zeiträumen zwischen diesen Unwettern müssen die Maschinen starten und landen. Mit spezifischen Computermodellen des DWD und Diensten aus anderen Ländern lassen sich Gewitterzellen und deren Umfang präzise vorhersagen. Die Cockpitbesatzung wird davon in Kenntnis gesetzt.

DWD-Daten machen Wetterphänomene für Fluggesellschaften planbar

Dass es allerdings zu Verbindungsproblemen mit den Servern kommen kann, möchte Klaus Sturm nicht ausschließen: "Die Frage ist natürlich, welche Informationen der Pilot zu dem Zeitpunkt hatte. Theoretisch wird immer gemeldet, welche Wetterlagen vorauszusehen sind", sagt er. Darüber hinaus habe jeder Pilot und jede Pilotin einen eigenen Wetterradar im Cockpit, mit dem er oder sie sich informieren kann. Außerdem reiche oft schon ein Blick aus dem Cockpit, um zu sehen, ob ein Gewitter aufzieht, meint Klaus Sturm.

"Typischerweise entscheidet ein Pilot, wenn das Gewitter zu heftig ist, dass er ausweicht – also links oder rechts am Unwetter vorbeifliegt."
Klaus Sturm, Flugmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst

Wenn eine Pilotin oder ein Pilot im Landeflug ist, will er oder sie den Kurs nur ungern ändern. Meteorologe Klaus Sturm geht davon aus, dass der Austrian-Airlines-Pilot das Risiko und den Aufwand einer Umkehr abgewogen hat. Laut Austrian Airlines wurde wegen der Beschädigungen am Flugzeug der Notruf Mayday abgesetzt.

Die Sicherheit beim Fliegen habe immer höchste Priorität, von daher sei bei dem Landeanflug schon "einiges schiefgegangen", so Klaus Sturm. In extremen Fällen müsse der Landeanflug abgebrochen werden, etwa wenn sich das Gewitter direkt über dem Flughafen oder dem Flugplatz befindet. Der Pilot könne es dann etwas später erneut versuchen oder einen Ersatzflughafen anfliegen.

"Wenn auf den letzten Kilometern kein sicherer Flug möglich ist, startet die Maschine durch: Der Pilot bricht den Landeanflug ab und versucht es neu oder er sucht einen Ersatzflughafen."
Klaus Sturm, Flugmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst

Jedoch komme es immer wieder vor, dass Beteiligte die Gefahr von Unwettern unterschätzen – oder dass Technik nicht richtig funktioniert. Klaus Sturm ist überzeugt, dass es auf den letzten Kilometern des Fluges von Mallorca nach Wien Probleme gab. Er lobt den Piloten für seine Leistung, dass kein Mensch bei dem Manöver zu Schaden kam. "Fliegerisch war das Ganze wahrscheinlich eine sehr gute Aktion. Das Flugzeug ist sicher gelandet – trotz der zerschlagenen Cockpitscheibe."

Wetter-Physik ist zu kompliziert, um Phänomene mit Klimawandel zu erklären

Der Blick auf das Vorderteil des Flugzeugs lässt Klaus Sturm darauf schließen, dass ein starkes Gewitter durchflogen wurde. "Das Flugzeug muss von sehr großen Hagelkörnern getroffen worden sein – sonst wäre die Konstruktion nicht so heftig beschädigt worden." Der Klimawandel sei allerdings kein Argument dafür, dass sich Flugbeteiligte mit stärkeren Wetterphänomenen auseinandersetzen müssen.

"Die Luftfahrt wird durch den Klimawandel nicht unsicherer. In der Luftfahrt gibt es schon heute Wettergefahren, mit denen Piloten, Fluglotsen, Hersteller und so weiter gut umgehen können."
Klaus Sturm, Flugmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst

Einen kausalen Zusammenhang zwischen der Klimaveränderung und der Heftigkeit eines Gewitters sollte man hier nicht herstellen, sagt er. Denn wie sich ein Gewitter entwickelt und wann es seinen Höhepunkt erreicht, sei von vielen lokalen und individuellen Parametern abhängig.

Shownotes
Flugzeug verliert Nase
Wie gefährlich es ist, durch Unwetter zu fliegen
vom 12. Juni 2024
Moderation: 
Till Haase, Sebastian Sonntag
Gesprächspartner: 
Klaus Sturm, Flugmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD)