Häusliche Gewalt kommt hunderttausendfach in Deutschland vor. Doch nur selten zeigen die Betroffenen die Täter an. Woran das liegt und wie sich das ändern könnte, erklärt die Familienrechtsanwältin Asha Hedayati.
Wir haben in Deutschland ein massives Problem mit Partnerschaftsgewalt. Laut Bundeskriminalamt sind 2022 fast 160.000 Menschen Opfer von Gewalt in Partnerschaften geworden. Die Opfer sind zu 80 Prozent weiblich, die Täter sind zu fast 80 Prozent männlich.
Obwohl das Problem so schwerwiegend und offensichtlich ist, werden laut einer Studie des Bundeskriminalamtes von 2020 nur knapp vier Prozent der Fälle von körperlicher Gewalt in Partnerschaften angezeigt – bei sexualisierter Gewalt in Partnerschaften sind es sogar nur 0,6 Prozent.
Es kann eine Freundin sein, ein Nachbar, eine Arbeitskollegin oder Kommilitonin, die von Gewalt in einer Beziehung betroffen sind. Oft bekommen wir es gar nicht mit, weil Betroffene sich schämen oder Gewalt oft subtil stattfindet und nicht unbedingt körperlich sein muss.
Warum die Opfer die Täter nicht anzeigen
Fakt ist: Jeder sechste Fall in der Kriminalstatistik war 2022 ein Fall von Partnerschaftsgewalt. Trotzdem kommt es in den wenigsten Fällen am Ende überhaupt zu einer Strafanzeige. Das bestätigt auch die Familienrechtsanwältin und Autorin Asha Hedayati, die in Familienrechtsverfahren Frauen vertritt, die Opfer von Gewalt geworden sind. Fast alle Mandantinnen erstatten keine Strafanzeige, sagt Asha Hedayati.
"Das [dass sie keine Anzeige erstatten] liegt daran, dass sie nach der Trennung von dieser Gewaltbeziehung wirklich mit dem Überleben zu tun haben."
Überleben heißt laut Asha Hedayati, existenzielle Probleme zu lösen und sich ein ganz neues, sicheres Leben zu organisieren. Die Frauen müssen ihre Kinder schützen, eventuell einen Platz im Frauenhaus finden, vielleicht den Arbeitsplatz wechseln und für die Kinder eine neue Kita oder Schule suchen. Die wenigsten von Asha Hedayatis Mandantinnen haben da noch die Kraft, zusätzlich eine Strafanzeige zu stellen.
Systemisches Versagen
"Eine Stunde Liebe" geht der Frage nach, warum diese Probleme keine individuellen Schicksale sind, sondern systematisches Versagen. Eine Verschärfung des Strafrechts wird oft diskutiert. Aber kann das eine Lösung bei Gewalt in Beziehungen sein?
Außerdem hat Lou Zucker, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin, Maya (Name geändert) bei einem Gerichtsprozess begleitet. Maya hat ihren gewalttätigen Ex-Freund angezeigt und sagt: Mit dem Wissen von heute wüsste ich nicht, ob ich das alles noch mal auf mich nehmen würde.
Das Hilfetelefon – Beratung und Hilfe für Frauen:
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Onlineberatung auf hilfetelefon.de werden dort Betroffene aller Nationalitäten unterstützt – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte werden dort anonym und kostenfrei beraten.
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