Ärzte denken, dass sie ihren Patienten gut erklären, was deren Gesundheitsproblem ist. Auch die Patienten denken, dass sie verstanden haben, was gemeint ist. Tatsächlich aber reden beide aneinander vorbei.
Eine Umfrage in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" hat gezeigt, dass selbst bei deutschsprachigen Begriffen wie Darmspiegelung oder Sodbrennen den Patienten nicht wirklich klar ist, was die Ärzte damit genau meinen.
Tiefgreifende Missverständnisse zwischen Ärzten und Patienten
Doch sobald die 200 befragten Patienten erklären sollen, was sie unter Begriffen wie Angina Pectoris verstehen, hat ein Drittel nicht richtig geantwortet. Insgesamt fragten Münchener Mediziner 43 häufige medizinische Fachbegriffe ab. Außerdem haben sie nach dem Aufbau des menschlichen Körpers gefragt. Drei Viertel der Befragten konnten die meisten Organe richtig zuordnen. Aber wo beispielsweise Bauchspeicheldrüse und Milz sitzen, wusste weniger als die Hälfte.
Der Arzt Attila Altiner hat zwar diese Befragung nicht geleitet, forscht aber am Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock über die Arzt-Patienten-Kommunikation. Diese läuft dann schief, wenn zum Beispiel die Ärztin Fremdwörter benutzt, die der Patient vielleicht einmal gehört hat, aber in der Situation nicht bei ihr nachfragen möchte.
"Ein Drittel der Fälle, die ich zu begutachten habe, landen vor Gericht, weil es ein tiefgreifendes Missverständnis zwischen Arzt und Patient gegeben hat. Das sind tatsächlich Kommunikationsfehler, die da stattgefunden haben."
Weil aber Ärzte davon ausgehen, dass ihre Patienten wissen, worüber sie sprechen, fragen sie häufig nicht nach. Ineffektive Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten ist aber schlecht für die Heilung. Der Heilungserfolg einer Therapie hängt zum großen Teil vom Patienten ab. Wenn dieser verstanden hat, worum es geht, ist die Kooperation bei der Behandlung und damit der Heilungserfolg größer.
Kommunikationsfehler sind teuer
Das wirkt sich auch auf die Gesundheitskosten aus: Durch Fehleinschätzungen infolge ineffektiver ärztlicher Kommunikation werden unnötige Maßnahmen durchgeführt. Diese machen 30 Prozent der Gesundheitskosten aus mit Laborleistungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro und strahlendiagnostischen Untersuchungen von rund 2,8 Milliarden Euro.
Fehlender Austausch
Teilweise spricht der Arzt nicht genug mit der Patientin über die Erwartungen. Der Arzt denkt sich einen Behandlungsplan aus, während die Patientin etwas anderes im Sinn hat. Das führt dann dazu, erklärt Attila Altiner, dass der Arzt Maßnahmen verordnet, die die Patientin gar nicht annimmt.
Diese Missverständnisse verursachen nicht nur Kosten, sondern führen auch zu Streitfällen vor Gericht. Ein Drittel der Fälle, die Attila Altiner als Gutachter untersucht, haben ihre Entstehung in einem grundsätzlichen Missverständnis zwischen Arzt und Patient.
"Man gibt sich als Arzt in der Regel sehr viel Mühe für seine Patienten, sie gut zu behandeln. Manchmal kommen Patienten nicht mehr oder sie sind unzufrieden. Häufig hat das damit zu tun, dass vorher aneinander vorbeigeredet wurde."
Die Ärzte haben inzwischen ihre Einstellung gegenüber den Patienten verändert, erklärt Attila Altiner. Heute gehe es zwischen beiden um Adhärenz: Arzt und Patient legen gemeinsam einen Behandlungsplan fest und halten sich daran.
"Wir sprechen heute von Adhärenz. Das meint, dass Arzt und Patient sich gemeinsam ein Ziel und Behandlungsplan überlegen, gemeinsam aushandeln und beide daran anhaften."
Ein Weg, wie die Kommunikation zwischen Ärztin und Patientin besser klappen kann, ist, dass die Ärztin sich Zeit nimmt und die Patientin erst einmal erzählt, warum sie in die Praxis oder ins Krankenhaus gekommen ist. "Narrative Medizin" nennt sich dieser Behandlungsschritt, sagt Attila Altiner.
Spickzettel für den Arztbesuch
Ein anderer Weg ist, dass der Patient sich im Voraus darüber klar wird, was er vom Arzt möchte. Soll der Arzt die Krankheit mit allen Untersuchungsmöglichkeiten abklären? Oder soll der Arzt einfach nur überprüfen, ob eventuell eine Krankheit vorliegt, weil der Patient sich unsicher fühlt? Oft hilft dabei ein "Spickzettel", auf den man zuvor schreibt, was einem wichtig ist oder welche Fragen man stellen möchte, und den man beim Arztgespräch herausholt, um nachzusehen, ob man alles angesprochen hat.
Eine typische Frage ist: Auf einer Skala von 0 bis 10, wie stark sind die Schmerzen? Attila Altiner erklärt, dass jeder für sich subjektiv dabei antworten sollte, wie stark er den Schmerz empfindet: Zehn wäre unerträglich und null gleich schmerzfrei. Dabei gehe es vor allem darum, festzustellen, wie sich der Schmerz im Verlauf entwickelt.
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