In der Affäre um das Gespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wirft genau das Fragen auf, was nicht im Gesprächsprotokoll steht.
Wegen eines Telefongesprächs mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wird in den USA geprüft, ob ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump eingeleitet werden kann. Der Vorwurf: Trump soll von Selenskyj belastendes Material gegen den möglichen Gegenkandidaten der Demokraten, Joe Biden, gefordert haben.
Am Rande der UN-Vollversammlung haben sich Selenskyj und Trump am 25. September 2019 getroffen. Die Frage an Selenskyj: Hat ihn der US-Präsident tatsächlich unter Druck gesetzt, um Material gegen Biden zu bekommen?
Selenskyj hat das vor der Presse verneint. "Das war aber eine völlig unglückliche Situation", erklärt Korrespondent Thilo Kößler. Denn die Ukraine und damit auch Selenskyj sind finanziell komplett von den USA abhängig. Den Präsidenten der Vereinigten Staaten in so einer Situation bloßzustellen wäre politisch nicht ratsam.
"Selenskyj würde Donald Trump niemals bloß stellen. Das ist völlig unvorstellbar."
Hinzu kommt eine Sprachbarriere: Wolodymyr Selinkyj kann hörbar kein Englisch. Das macht eine ausführliche und differenzierte Erklärung zum Sachverhalt schwierig. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Adam Schiff, hat die Szene mit dem Gebaren der Mafia verglichen: Ein Patrone redet mit seinem Opfer und bringt ihn so in Bedrängnis, dass er das Ganze in freundliche Worte kleidet.
Am 25. September 2019 wurde das zusammenfassende Protokoll des Telefonats zwischen Selenskyj und Trump veröffentlicht. Dabei handelt es sich aber nicht um eine wortwörtliche Mitschrift des gesamten Telefonats.
Deshalb gibt es Streit darüber, was nicht in dem Protokoll steht - nämlich die Antwort auf die Frage, ob Trump zum Zeitpunkt des Gesprächs tatsächlich 400 Millionen Dollar Militärhilfe auf Eis gelegt hatte, um das als Druckmittel gegen Selenskyj einzusetzen. Das käme einem Erpressungsversuch gleich.
"Was nicht in dem Protokoll steht ist die Frage, ob Trump dem ukrainischen Präsidenten damit gedroht hat, ihm 400 Millionen US-Dollar Militärhilfe vorzuenthalten."
Auch der Whistleblower, auf den sich der Verdacht stützt, hat ein Protokoll des Telefonats angefertigt. Das ist inzwischen vom Geheimdienstausschuss begutachtet worden. Die Bewertung dieses Protokolls ist ebenfalls unterschiedlich. Der Demokrat Adam Schiff hat von einem verstörenden und hoch explosiven Dokument gesprochen, die Republikaner nannten es belanglos.
Heute, am 26. September 2019, wird der kommissarische Geheimdienstchef Joseph Maguire aussagen, der bereits mit Rücktritt gedroht hat, falls ihm das Weiße Haus die Aussage verweigern sollte. Nach Einschätzung von Korrespondet Thilo Kößler wirkt Trump aktuell angespannt und sichtbar nervös.
Das Weiße Haus hat seine Taktik geändert und verspricht jetzt Transparenz. Abzuwarten bleibt aber, ob der Whistleblower des Geheimdienstes vernommen werden kann. Erst dann lässt sich zuverlässig beurteilen, woher die Informationen stammen und wer es ist.
Die Affäre in der Ukraine
Aus Sicht von Wolodymyr Selenskyj sind die Entwicklungen eher positiv, auch wenn er sich insgesamt in einer wenig glücklichen Lage befindet. Aber durch das Öffentlichwerden der Vorwürfe gegen Donald Trump, kann dieser den Druck auf Selnskyj nicht aufrechterhalten - so er denn Druck ausgeübt hat.
Dass die Ukraine von den Militärhilfen der USA so abhängig ist, liegt nicht nur an der hohen Summe von 400 Millionen Euro, die Trump über mehrere Monate zurück gehalten hat, obwohl die Gelder bereits bewilligt waren. Es geht auch um die symbolische Wirkung. Denn die Unterstützung der USA zeichnet die Ukraine als einen Partner des Westens aus. Für die Ukraine eine Sicherung, die das Land vor Willkür seitens Russland schützen soll.
Im Zuge des Gesprächs mit Donald Trump wurde auch die mangelnde Unterstützung für die Ukraine aus Deutschland thematisiert. Das geht aus den veröffentlichten Protokollen hervor. Während die Ukraine von Russland attackiert werde, wolle man in Deutschland lieber wieder zum Alltagsgeschäft übergehen, erklärt Korrespondent Florian Kellermann die Perspektive der Ukraine, die in dem Protokoll zutage tritt.
Tatsächlich, sagt Florian Kellermann, sei errechnet worden, dass Deutschland in den vergangenen fünf Jahren Hilfen von 1,4 Milliarden Euro an die Ukraine geleistet habe. Zudem hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Minsker Friedensabkommen mit ausgehandelt. Darüber, ob das als gut oder schlecht bewertet werde, könne es unterschiedliche Meinungen geben. Dass Deutschland sich aber aus dem Konflikt rausgehalten habe, sagt der Korrespondent, könne man so nicht stehen lassen.
Die Affäre um das Telefonat zwischen Selenskyj und Trump wird auch in den ukrainischen Medien intensiv verfolgt. Denn egal, wer Präsident ist, bleibt oder in Zukunft wird - die Ukraine wird auch weiterhin auf die Unterstützung der USA angewiesen sein. Für die Ukraine ist es also ziemlich brisant, Position zu beziehen in dieser Angelegenheit. Auch wenn Selenksyj im Gespräch mit Donald Trump zugestanden hat, der Forderung nach Ermittlungen gegen den Sohn von Joe Biden nachzukommen – unternommen hat er in der Beziehung bislang nichts.