Mehr als 50.000 Menschen wurden verhaftet, mehr als 100.000 Menschen haben ihre Arbeit verloren: Lehrer, Richter, Polizisten, Beamte, Journalisten. Der Putschversuch in der Türkei am 15. Juli 2016 hat aber nicht nur das Leben der Menschen dort verändert, sondern auch das der in Deutschland lebenden Türken.
In der Türkei laufen seit Tagen Gedenk-Feierlichkeiten, Präsident Recep Tayyip Erdogan hat im Parlament eine flammende Rede gehalten. Der Jahrestag des Putschversuches spielt aber auch für die Türken in Deutschland eine große Rolle - vor allem durch die Beteiligung der türkischen Generalkonsulate in Deutschland, sagt Erkan Arikan, der Leiter der türkischen Redaktion von WDR Cosmo. In Münster, Düsseldorf, Köln und Berlin zum Beispiel gab es Gedenkveranstaltungen, bei denen an die Opfer des 15. Juli 2016 erinnert wurde.
Politische Einflussnahme in der Moschee
Erkan Arikan war erst vor kurzem beim Freitagsgebet in der Moschee. Obwohl die Moschee eigentlich kein Ort für politische Reden sei, habe der Imam vor seinem Freitagsgebet an die Opfer des Putsches erinnert und den Putsch verurteilt, berichtet Erkan.
"Die Putschisten würden in der Hölle landen, hat der Imam gesagt."
In der offiziellen DİTİB-Predigt sei darauf hingewiesen worden, dass es Menschen gebe, die die Religion für ihre weltlichen Interessen instrumentalisierten, berichtet Erkan weiter. Das sei als klarer Fingerzeig gegen die Gülen-Bewegung zu erkennen gewesen.
Nicht in den offiziellen Predigten, aber nebenbei werde seit dem Putschversuch in vielen Moscheen über das Demokratieverständnis in der Türkei so berichtet, sagt Erkan, dass am Ende Präsident Erdogan als der große Heilsbringer dastehe.
Kritik an deutschen Medien
Wenn es darum gehe, den Putsch als "undemokratischen Akt" zu verurteilen, sei sich die türkische Community erstaunlicherweise weitgehend einig, sagt Erkan. Bei den konspirativen Theorien - also ob Erdogan an dem Putschversuch beteiligt war oder nicht - beginne der ganz große Streit.
Nicht wenige Türken, die in Deutschland leben, kritisieren die deutschen Medien scharf. Sie werfen ihnen vor, befangen zu sein und tendenziös über die Türkei zu berichten - also negativ über Präsident Erdogan. Der Journalist Erkan erlebt das in seiner täglichen Arbeit beim Radiosender WDR Cosmo.
"Wir bekommen ständig Hassmails oder Facebook-Kommentare, in denen uns vorgeworfen wird, wir seien der Feind der Türkei und der Feind Erdogans."
Das entbehre jeglicher Grundlage und sei "völliger Quatsch", sagt Erkan. WDR Cosmo mache Nachrichten und präsentiere Fakten. Die Wahrheit mancher Leute entspreche aber eben nicht der Wahrheit der Journalisten.
"Hexenjagd muss beendet werden"
Die türkische Community in Deutschland ist gespalten. Und Erkan sieht unter den derzeitigen Bedingungen in der Türkei keine Möglichkeit, dass sich das so bald ändert. Sollte diese "Hexenjagd" nicht auf absehbare Zeit beendet werden, bleibe das Konfliktpotential sehr hoch.
"Die türkische Politik befeuert das und vergrößert die Gräben."