Die Bekanntschaft mit dem Patriarchat hat sie zur Feministin gemacht. Heute schreibt Hannah MayLou darüber. Miriam-Linnea Hale forscht zu Geschlechterstereotypen und Sexismus, besonders auf Social Media. Das sind die Wege und Erfahrungen der beiden.
Bei Körperbehaarung und Masturbation ist es Hannah MayLou zuerst aufgefallen: Mit etwa 13 Jahren erfährt sie von einer Freundin, dass es doch nun Zeit für eine Beinrasur sei. Hat sie dann auch gemacht. Hannah MayLou dachte also zum ersten Mal: "Aha, es wird erwartet, dass ich gewisse Dinge nur tue, weil ich eine Frau bin."
"Es sind riesige gesellschaftliche Normen, die wir alle mitbekommen und viele nicht hinterfragen."
Mit etwa 20 Jahren hat sie dann angefangen, sich der Sache spielerisch zu nähern und neugierig. Hannah MayLou hat sich mal 30 Tage nicht rasiert, um überhaupt zu wissen, wie ihre eigene Behaarung aussieht. Zwar mochte sie ihre eigenen Haare nicht wirklich, freute sich schon nach zwei Wochen auf das Rasieren, fühlte sich nach der Rasur aber nackt. Sie stellt jedenfalls im Ergebnis fest, dass sie ihre Körperhaare weniger für sich, sondern ganz viel für andere rasiert.
Tabus in der weiblichen Sexualität
Beim Thema Masturbation war es in etwa so: Während die Jungs aus ihrer Schulklasse stolz die neusten Zahlen zur Häufigkeit ihrer Samenergüsse diskutierten, sprachen die Mädchen eigentlich nie darüber, erinnert sich Hannah MayLou. "Ich habe mich sehr lange gefragt: Darf man das als Mädchen überhaupt machen?", stellt sie heute verwundert fest.
Weibliche Sexualität soll nicht vorkommen, es sei denn sie ist bezogen auf einen Mann, so sei die Prägung in etwa gelaufen, erinnert sich Hannah MayLou. Sex mit sich selbst oder mit vielen Partner*innen zu haben, sei nach wie vor ein Tabuthema bei Frauen.
"Beim Thema Sexualität ist es so, dass Frauen am besten so wenig sexuell wie möglich sind, außer es geht um den Mann, dann sollte man natürlich schon verfügbar sein."
Tatsächlich sind viele Rollenerwartungen gerade für Frauen oder weiblich-gelesene Personen oft widersprüchlich, findet Miriam-Linnea Hale. Sie hat im Herbst 2023 ihre Promotion "Gender Based Biases and Discrimination - New Developments in Social Media Contexts“ an der Universität von Luxembourg verteidigt.
Erwartungen als Gegensätze
Diese gegensätzlichen Erwartungen an Frauen benennt sie mit den folgenden Adjektiven:
- warm und empathisch, aber bloß nicht zu emotional
- nicht zu zugeknöpft, aber auch nicht zu freizügig
- dünn, aber kein Hungerhaken
Eigentlich sei wichtig, sich bewusst zu machen, dass man alle möglichen Rollen so leben kann, wie man möchte, und dass es eben nicht vom Geschlecht abhängt, sondern von der Person, sagt Miriam-Linnea Hale.
"Mach ich das, weil ich sage: Das bin ich. Oder mache ich das, weil ich denke, dass sich das so gehört, für was auch immer."
Das Nachleben tradierter Rollenbilder habe eine Reihe gesellschaftlicher Nachteile, zum Beispiel die Unterrepräsentation weiblicher Personen im naturwissenschaftlichen Bereich. Kleine Fortschritte sieht Miriam-Linnea Hale bei der medialen Repräsentation. Diese solle divers, inklusiv, authentisch und selbstverständlich sein.
"Es ist viel einfacher, Stereotype zu bekämpfen, wenn man mit verschiedenen Personen viel Kontakt hat und echte Personen kennenlernt."
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- Hannah MayLou, Feministin und Autorin
- Miriam-Linnea Hale, forscht zu Geschlechterstereotypen und Sexismus