Achtung. Spoiler. Falls Ihr Euch jetzt auf einen saftigen Untenrum-Vortrag freut: Daraus wird nichts. Hier kommt nichts Delikates, Frivoles, aus dem Süden der Frau. Hier geht es um Soziologie. Um die Bedeutung von Worten und um die Aussagen, die Körper treffen.
Wer jetzt noch nicht hinreichend abgeschreckt ist: Herzlichen Glückwunsch! Euch erwartet ein dichter, anstrengender Vortrag. Der Redner, der Münchner Soziologie-Professor Armin Nassehi, kann durchaus allgemeinverständlich reden, regelmäßig gibt er Interviews und bezieht Stellung zu aktuellen Entwicklungen in unserer Gesellschaft.
Aber hier hält er einen wissenschaftlichen Vortrag - auf Soziologisch, im Jargon seiner Zunft. Dennoch erwartet Euch ein spannender, mitunter auch süffisanter Vortrag, über das, was wir sagen und das, was wir denken. Darüber, was unsere Worte bedeuten und darüber, was unsere Körper sagen.
"In einem Dax-Vorstand hatten die Männer, bis es überhaupt die Möglichkeit gab, dass dort auch Frauen sitzen könnten, kein Geschlecht. Man könnte auch andere Gremien dafür nennen, Kardinäle zum Beispiel."
Nassehi spricht als gelernter Systemtheoretiker, er will soziale Systeme begreifen. Ein soziales System ist: Eure Familie. Die Schule. Die Kirche. Oder - darum geht es heute - die Religion.
"Auf welcher Systemreferenz ist Sexualität angesiedelt? Kommunikation? Bewusstsein? Körper? Antwort: Überall."
Diese Ordnungssysteme greifen ineinander und verändern sich. Auch die Genderforschung oder die eigene Disziplin ist für Nassehi ein Forschungsgegenstand. In seinem Vortrag klopft er zunächst die Begriffe Geschlecht, Geschlechtlichkeit und Religion aus systemtheoretischer Perspektive ab, dann kommt er zur Frage nach der Sexbesessenheit. Um Untenrum geht's in diesem Vortrag kaum. Aber für's Obenrum, für den Denkmuskel, ist er ausgezeichnet.
"Wir wissen, dass es eine Merkwürdigkeit in der psychischen Beobachtung des eigenen Körpers gibt: Er ist stets dabei, aber gleichzeitig auch ein Außen."
Armin Nassehi hat seinen Vortrag am 2. November 2016 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München gehalten, im Rahmen der Vortragsreihe "Religion und Gesellschaft: Sinnstiftungssysteme im Konflikt".
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