Eine Steuerfachangestellte aus NRW hat über die Jahre 101 Urlaubstage angesammelt. Längst verjährt, meint der Arbeitgeber. Doch das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Auch alte Urlaubsansprüche sind unter Umständen noch gültig.
21 Jahre lang arbeitete sie im Unternehmen, pro Jahr standen ihr 24 Urlaubstage zu. Viele davon konnte eine Steuerfachangestellte aus Nordrhein-Westfalen, aber durch das hohe Arbeitspensum nicht nehmen – über die Jahre 101 Tage. Das entspricht in ihrem Fall einem Gegenwert von etwa 23.000 Euro. 2017 hat sie das Unternehmen verlassen und wollte ihren Anspruch geltend machen, doch ihr Arbeitgeber meinte, dieser sei längst verjährt.
"Grundsätzlich verfällt der Urlaub, wenn wir ihn nicht bis zum Ende des Jahres genommen haben. Das gilt seit einem Urteil 2019 aber nur, wenn der Arbeitgeber vorher auf den Resturlaub hingewiesen hat."
Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer ihren gesetzlichen Urlaub innerhalb eines Kalenderjahres nehmen – machen sie das nicht, verfällt er. Das Gesetz sieht aber vor, dass in Ausnahmefällen der Arbeitnehmer seinen Resturlaub noch bis Ende März des folgenden Jahres nehmen kann.
Seit einem Urteil aus dem Jahr 2019 gilt diese Regelung aber nur, wenn der Arbeitgeber auf den Verfall der Urlaubstage hingewiesen hat. Ansonsten bleibt der Anspruch bestehen, bis er verjährt ist.
Allgemeine Verjährungsfrist gilt nicht
Im aktuellen Urteil geht es um diese Verjährungsfrist und die Frage, wie lange ein solcher Anspruch denn bestehen bleibt. Bisher haben Arbeitgeber angenommen, dass auch hier die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren greift.
Im Fall der Steuerfachangestellten ging es um Urlaubstage der letzten 21 Jahre. Deshalb war fraglich, welche Urlaubstage ihr hier überhaupt noch zustehen. In erster Instanz sprachen ihr die Richter nur drei der 101 Resturlaubstage zu. Sie klagte daraufhin vor dem Landesarbeitsgericht, das ihr 79 der Tage zugestand. Das ließ aber der Arbeitgeber nicht auf sich sitzen und zog vor das Bundesarbeitsgericht.
"Im Fall der Steuerfachangestellten gab es keine Hinweise des Arbeitgebers. Das Gericht sprach ihr in letzter Instanz deshalb nun alle 101 Urlaubstage zu."
Das entschied nun im vollen Maße für die Klägerin. Denn: Der Arbeitgeber hatte sie zu keinem Zeitpunkt auf den Verfall der Urlaubstage oder die Verjährung hingewiesen. Mit diesem Urteil folgt das Bundesarbeitsgericht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, das zuletzt für einen stärkeren Arbeitnehmerschutz urteilte.
Was bedeutet das für uns?
Mit diesem Urteil steht nun für alle Arbeitnehmer*innen fest, dass ihre gesetzlichen Urlaubstage nicht verfallen – es sei denn, sie sind von ihrem Arbeitgeber frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden. Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven rät deshalb dazu, die eigenen Unterlagen einmal durchzugehen und nach etwaigen Ansprüchen zu durchsuchen. So könnt ihr vorgehen:
- Wie viele Urlaubstage standen mit in den vergangenen Jahren jeweils zu?
- Welche davon konnte ich nicht nehmen?
- Hat mich mein Arbeitgeber auf den Verfall und die Verjährung hingewiesen? Das kann zum Beispiel auf der Gehaltsabrechnung, per Mail oder per Brief gewesen sein.
Die Nachweispflicht über den schriftlichen Hinweis liegt allerdings beim Arbeitgeber. Er muss beweisen, dass er sowohl auf den nahenden Verfall der Urlaubstage als auch später auf dessen Verjährung hingewiesen hat.
"Es liegt am Arbeitgeber nachzuweisen, dass er auf den Verfall und die Verjährung hingewiesen hat – und zwar in schriftlicher Form."
Noch nicht eindeutig geklärt ist allerdings, was passiert, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen bereits verlassen hat und die Urlaubstage demnach nicht mehr nehmen kann. Noch ist unklar, ob es dann einen Anspruch auf Auszahlung geben kann.