Mitglieder der italienischen Familie Marsili kennen keinen Schmerz. Sie könnten sich ein Bein brechen oder die schärfste Chilischote der Welt essen, und sie würden nichts davon merken. Jetzt haben Forscher aus den USA herausgefunden, warum das so ist.

Familie Marsili aus Siena in Italien ist einzigartig. Einige Familienmitglieder, unter anderem die Oma, Mutter, Sohn und Tochter, sind fast schmerzfrei. Heißt, sie spüren kaum Schmerzen. Ihre Geschichte erzählen sie in einer BBC-Dokumentation

"I fell off an escalator and hurt myself. I went to the doctor and she said: You haven’t broken anything this time. But you had broken your ankle twice before."
Maria Marsili, Großmutter

Die Oma, Maria Marsili, sagt, sie habe zum letzten Mal im Jahr 1979 Schmerzen gespürt. Damals wurde ihr die Gebärmutter entfernt. Bei Stürzen, Knochenbrüchen oder Schnittwunden spürt sie höchstens für ein paar Sekunden einen kleinen Reiz, aber keinen richtigen Schmerz. Bei Marias Tochter und ihrer Enkelin ist das ganz ähnlich. 

"I can swim in the sea at any time of the year. Even when the water is really cold, at around ten, eleven degrees, I am able to get into the water and swim for two, three, five minutes."
Tochter von Maria Marsili

Bislang haben die Marsilis keine bleibenden Schäden davon getragen. Wenn sie mal stürzen, sich heftig stoßen oder sonstige kleine Unfälle haben, gehen sie vorsichtshalber zum Arzt und lassen sich durchchecken.

Verantwortlich für ihre geringe Schmerzempfindlichkeit ist ein extrem seltener Gendefekt, der in dieser Form bislang nur bei den Marsilis beobachtet wurde. Deshalb heißt der Defekt jetzt auch so wie die Familie: Das Marsili-Syndrom.

Forscher interessieren sich für die Marsilis

John Wood, Professor für molekulare Neurobiologie in London, hat das Gen entdeckt. Der Neurobiologe hat die Marsilis in der Toskana besucht und ihnen Blut abgenommen. Zurück in London haben er und sein Kollege James Cox mehrere Jahre geforscht, um das mutierte Gen in der DNA zu finden. 

Bisher fehlte den Forschern aus London aber noch der Beweis. Um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich das richtige Gen ausgemacht haben, haben John Wood und James Cox eine Studie mit Mäusen durchgeführt. Sie haben die Mäuse sozusagen zu tierischen Marsilis gemacht und haben bei ihnen das entsprechende Gen so manipuliert, dass es dem Anti-Schmerz-Gen der Marsilis ähnlich ist.

"Mausgene sind den menschlichen Genen sehr ähnlich. Mein Kollege hat in der Studie deshalb die Gene einer Maus verändert. Danach war die Maus ebenfalls weniger schmerzempfindlich."
John Wood, Professor für Molekulare Neurobiologie

Ein Leben ohne Schmerzen

Wie dieses Gen genau dazu beiträgt, dass Familie Marsili aus Italien und die genmanipulierten Mäuse im Versuch kaum noch Schmerzen empfinden, wissen die Wissenschaftler noch nicht. Aber: Sie glauben, dass von ihrer Entdeckung langfristig auch viele andere Menschen profitieren könnten - zum Beispiel Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden.

Es gibt zwar Medikamente, die solche Schmerzen lindern, aber häufig haben diese Medikamente auch Nebenwirkungen, die wieder neue Schmerzen auslösen können. Wenn ein chronischer Kranker jetzt aber - wie die Maus im Versuch - das Marsili-Gen in sich tragen würde, wären seine ständigen Schmerzen vielleicht für immer verschwunden.

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vom 14. Dezember 2017
Autor: 
Johannes Döbbelt
Moderator: 
Ralph Günther