In Belarus hat ein Generalstreik begonnen. Er ist die Folge des ausgelaufenen Ultimatums der Opposition. Die Proteste werden jetzt noch größer, glaubt ein Exil-Belarusse.
Alexander Lukaschenko regiert Belarus seit 26 Jahren autoritär. Die Opposition wirft ihm vor, seine Wiederwahl im August gefälscht zu haben. Gestern (25.10.2020) war bereits der elfte Sonntag in Folge, an dem die Menschen auf die Straße gegangen sind, um gegen den Amtsinhaber zu protestieren. Weit mehr als hunderttausend Menschen haben sich an den Protesten beteiligt, berichtet unsere Korrespondentin Christina Nagel.
Der Staatsapparat zeigte Härte: Blendgranaten sind explodiert, es wurde in die Luft geschossen, es gab Verletzte. Regelrechte Jagdszenen auf Demonstranten habe es gegeben, so Christina Nagel. Menschen wurden bis in ihre Häuser verfolgt, Türen wurden aufgebrochen, am Ende wurden über 280 Menschen festgenommen.
Aggressive Gruppen seien in die Stadt gekommen, um das Zentrum von Minsk zu besetzen – so lautete die Rechtfertigung der Behörden für den Einsatz der Sicherheitskräfte. Der Protest sei allerdings bis zum Eingriff der Polizei absolut friedlich abgelaufen, berichtet unsere Korrespondentin. "Das habe man ganz deutlich sehen können."
"Ultimatum war riskant"
Der Musiker Vitali Alekseenok wurde 1991 in Belarus geboren. Heute lebt er in München und ist Dirigent und musikalischer Leiter des Abaco-Orchesters der Universität München. Auch Vitali Alekseenok war im Sommer in Belarus und hat dort mitprotestiert.
Die Proteste würden zeigen, wie groß die Bewegung inzwischen geworden ist, sagt Alekseenok. Durch das ausgelaufene Ultimatum am Wochenende habe die Protestbewegung noch einmal Rückenwind bekommen. Davor sei sein Eindruck gewesen, die Proteste seien immer kleiner geworden.
Anhänger der Opposition säßen entweder im Gefängnis oder lebten im Ausland, so Vitali Alekseenok. Die Opposition wolle der Bevölkerung klar machen, dass diese Chance - das abgelaufene Ultimatum - jetzt genutzt werden müsse. Denn Lukaschenko setze darauf, dass die Protestbereitschaft der Menschen spätestens im kalten Winter sinke.
"Die Opposition muss irgendwas unternehmen. Das Ultimatum war, glaube ich, eine sehr riskante, aber sehr effiziente Maßnahme."
Exil-Belarussen könnten Geld sammeln für die Opposition und damit Solidarität zeigen mit der belarussischen Bevölkerung. Es gebe inzwischen verschiedene Hilfsprogramme. Auch die Exil-Belarussen in Deutschland hätten einen Verein gegründet, um den streikenden Menschen in Belarus finanziell zu helfen.
Finanzielle Hilfe aus dem Ausland
Je undemokratischer sich die Regierung benehme, desto schlechter gehe es auch der belarussischen Wirtschaft, sagt Vitali Alekseenok. Diese werde also wahrscheinlich auch ohne Streiks untergehen, der Generalstreik sei dafür bestimmt nicht allein verantwortlich. Er sei aber ein sehr wichtiges Zeichen. Für die ersten Monate sei genug Geld da, glaubt er, um die Streikenden zu unterstützen.