Der Gender Pay Gap in Deutschland beträgt 20 Prozent. Der Stundenlohn einer Frau ist damit weiterhin geringer als der eines Mannes. Seit Jahren verändert sich der Wert kaum, die Ursachen auch nicht. Tarifverträge sind somit entscheidender als je zuvor, sagt unser Experte.
Der Gender Pay Gap – er ist ein einfacher Vergleich. Der durchschnittliche Stundenlohn der Männer wird dem der Frauen gegenübergestellt. Für Deutschland zeigt sich: Frauen verdienen durchschnittlich 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Das ist der aktuelle Prozentsatz. Vor sechs Jahren betrug der Unterschied 22 Prozent. Trotz Gesetzen für mehr Gleichberechtigung bei der Bezahlung zeigt sich: Am Gender Pay Gap verändert sich kaum etwas. Einzig die Richtung ist die richtige, sagt Malte Lübker vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Karriere-Knick nach dem ersten Kind
Wie so oft sind die Ursachen für den Gender Pay Gap vielfältig. Ein Hauptgrund ist weiterhin der unterschiedliche Karriereverlauf von Frauen und Männern – Stichwort Elternzeit. Immer noch kommt es häufiger bei den Frauen zu einem Karriere-Knick, weil sie für die Kindererziehung zu Hause bleiben.
Steigen sie später wieder in ihren Beruf ein, entscheiden sich viele von ihnen zunächst für eine Teilzeitstelle und damit für das geringere Einkommen.
Gender Pay Gap ab 30 entscheidend
Das ist der entscheidende Zeitpunkt für den wachsenden Gender Pay Gap, erklärt Malte Lübker. Ab etwa dem 30. Lebensjahr nehme der Gehaltsunterschied rasant zu. Zugleich ist das aber die Zeit, in der wir nach dem Berufseinstieg erste Erfahrungswerte gesammelt haben und eigentlich unsere Karriere ausbauen können.
Mütter bleiben zu Hause, Männer starten durch
Zum Gender Pay Gap kommt es, weil oft die Mütter genau in dieser Phase zu Hause bleiben und die Männer beruflich durchstarten. "Wenn man in den Beruf einsteigt, kommen die Faktoren, die den Gender Pay Gap prägen noch nicht zum Tragen", erklärt er. Vielen jungen Berufseinsteigern würde daher das Bewusstsein für den Gender Pay Gap fehlen. Sie würden davon ausgehen, der Gehaltsunterschied betreffe sie nicht mehr auf die gleiche Weise wie ältere Generationen. Das ist ein Trugschluss, sagt Malte Lübker.
"Wenn man in den Beruf einsteigt, kommen die Faktoren, die den Gender Pay Gap prägen, noch nicht zum Tragen. Viele junge Leute denken deshalb, sie betreffe der Gender Pay Gap nicht mehr."
Hinzu kommen Rollenstereotypen bei der Berufswahl. In sozialen Berufen, die in der Regel schlechter bezahlt werden, sind noch immer mehr Frauen vertreten als etwa in den technischen Berufen, in denen höhere Gehälter bezahlt werden. Die traditionellen "Frauen- und Männerberufe" sind offenbar noch präsent. Hier fordert der Experte ein gesellschaftliches Umdenken: "Was sind uns die Tätigkeiten im sozialen Bereich wert?"
Tarifverträge für Gleichstellung und Transparenz
Für Gleichstellung brauche es zudem Transparenz – gerade beim Gehalt. Besonders deutlich zeigt sich das an den Zahlen der Tarifverträge, erklärt er. Hier würden wir deutliche Rückschritte machen. Vor zwanzig Jahren gab es für etwa 80 Prozent der Berufszweige Tarifverträge, fügt er hinzu. Das bedeutet: Egal welches Geschlecht, die Menschen haben je nach Beruf gleich viel verdient. Umgekehrt machen Tarifverträge Gehaltsunterschiede aufgrund des Geschlechts sichtbar.
"Wir müssen wieder dahin kommen, dass wir faire und transparente Gehälter für alle haben."
Aktuell sei die Tarifbindung auf etwa 50 Prozent zurückgegangen. Im Einzelhandel sei ein Tarifvertrag oft nicht gegeben. "Das ist ein schlechter Trend, der Tür und Tor öffnet für Willkür und Diskriminierung von Männern wie Frauen bei der Bezahlung. Da müssen wir umkehren, weil das die Fortschritte, die wir in anderen Bereichen machen, widerlegt", so der Experte.
Deutschland das Schlusslicht
Mit einem Gender Pay Gap von 20 Prozent befindet sich Deutschland im
EU-weiten Vergleich am unteren Ende. Nur in Estland und Tschechien ist
die Gehaltslücke größer. Am 17. März 2020 ist daher Equal Pay Day, um
den Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männer zu verdeutlichen.