Die Europäische Zentralbank will einen digitalen Euro entwickeln. Diese neue Form von Geld könnte unser Finanzsystem und die internationalen Geldflüsse grundsätzlich verändern. Ein Vortrag der Soziologin Carola Westermeier.
Digital zu bezahlen gehört zum Alltag. Ob wir mit Paypal, Kreditkarte oder mit unserem digitalen Wallet zahlen – die meisten Geschäfte lassen sich heute ganz ohne Bargeld erledigen. Daher könnte man meinen, der digitale Euro, den die Europäische Zentralbank EZB einführen möchte, sei vielleicht gar nicht so richtig etwas Neues.
Doch das ist falsch, denn der digitale Euro soll eine "digitale Zentralbankwährung" sein (englisch: CBDC für "central bank digital currency"). Was das überhaupt heißt und was das für die Zukunft unseres Geldsystems bedeutet, erklärt die Soziologin Carola Westermeier in ihrem Vortrag.
"Digitales Zentralbankgeld ist nicht nur Geld in einer anderen Form. Es könnte auch die Geldbeziehung per se neu definieren."
Wir verwenden in unserem Alltag zwei Arten von Geld:
- Das Geld, das auf unserem Konto liegt, ist eine Forderung von uns an die Bank, bei der wir das Konto haben. Diese Bank ist in der Regel ein privates Unternehmen.
- Bargeld jedoch wird von der Zentralbank ausgegeben. Die Euroscheine in unserem Portemonnaie gehören zur Zentralbank – und die ist eine staatliche Institution.
Wenn wir am Automaten Geld abheben, verwandeln wir also privates Geld in Zentralbankgeld.
"Wenn wir zum Geldautomaten gehen, haben wir sozusagen eine kleine Zauberei: Wir machen eine magische Verwandlung vom privaten Geld ins Zentralbankgeld."
Überall auf der Welt denken Staaten und Zentralbanken darüber nach, wie sie Zentralbankgeld in digitialer Form entwickeln könnten. Dafür gibt es unterschiedliche Modelle, die für Bürgerinnen und Bürger, für das Banken- und Finanzsystem und sogar für das internationale politische Machtgefüge ganz unterschiedliche Folgen haben könnten.
Digitales Zentralbankgeld verändert Finanzsystem weltweit
Was für Modelle es gibt, welche Vorteile, Nachteile und Gefahren sie bergen, erklärt Carola Westermeier in ihrem Vortrag. Wird es für private Verbraucher*innen noch möglich sein, etwas anonym zu bezahlen, wenn der digitale Euro eingeführt wird? Digitales Zentralbankgeld erfordert riesige Datenbanken, in denen alle Zahlungsinformationen gespeichert werden. Wie lassen sich Datenbanken schützen? Wie werden persönliche Informationen und Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern gesichert?
Die Überlegungen und Entscheidungen, wie das alles ausgestaltet werden soll, werden jetzt getroffen, sagt Carola Westermeier.
"In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob digitale Zentralbankwährungen wirklich als öffentliches Gut entwickelt werden oder ob da andere Interessen zuvorderst kommen."
Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld wird auch erhebliche geopolitische Folgen haben: Wenn sich bestimmte Ländergruppen zum Beispiel zusammenschließen, um ihre eigene, von anderen Ländern unabhängige digitale Bezahlstruktur aufzubauen, dann entfällt die Möglichkeit, gegen diese Länder finanzielle Sanktionen zu verhängen in der Form, wie das heute möglich ist.
Carola Westermeier ist Akademische Rätin am Institut für Soziologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Ihr Vortrag hat den Titel "Das Geld(system) der Zukunft? Digitale Zentralbankwährungen zwischen Fragmentierung und internationaler Kooperation". Sie hat ihn am 24. Oktober 2023 am Hamburger Institut für Sozialforschung im Rahmen der Vorlesungsreihe "Geldpolitik im Umbruch" gehalten.