Besetzen, foltern, verschleppen: Rücksichtslos geht die russische Armee gegen die ukrainische Bevölkerung vor. Die genaue Zahl der zivilen Geiseln in Russland ist nicht bekannt. Eine NGO hat über 1100 Namen zusammengetragen. Vom Schicksal einer zivilen Geisel und einer Kampagne.
Viele ukrainische Zivilisten werden in den okkupierten Gebieten von der russischen Armee in Gefangenschaft gehalten. Andere sind nach Russland verschleppt worden. Die russische Armee misshandelt ihre Gefangenen, lässt sie hungern. Sie bleiben ohne medizinische Versorgung. Nikita Horban zum Beispiel. Er hat unserer Russland-Expertin Gesine Dornblüth von seiner Gefangenschaft erzählt. Gesine Dornblüth war viele Jahre lang Russlandkorrespondentin des Deutschlandfunks.
"Da gab es Schläge zur Begrüßung, zu den Verhören Elektroschocks, und vor allem wurde medizinische Behandlung weiter verwehrt."
Der Zivilist Nikita Horban wurde gemeinsam mit seinem Vater im Frühjahr 2022 von russischen Truppen gefangengenommen. Die beiden Männer mussten bei Frost im Freien ausharren. Beide haben sich schwere Erfrierungen zugezogen und sind dann in ein Lager nach Russland verschleppt worden. Nikita hat alle Zehen verloren und lebt heute in Brüssel. Seit anderthalb Jahren hat er nichts mehr von seinem Vater gehört.
Gefangenschaft als Waffe
Die systematische Gefangennahme von Zivilisten diene der Abschreckung, meint Gesine Dornblüth. Dieses Vorgehen gegen Zivilisten gehöre zur russischen Kriegsführung. "Das ist eine Kriegswaffe", sagt sie.
"Es geht darum, die Menschen in der Ukraine zu demoralisieren."
Im Gegensatz zu militärischen Gefangenen gibt es für gefangene Zivilisten keine Tauschroutine, weil es diese Gruppe Gefangener auf ukrainischer Seite nicht gibt. Die Media Initiative for Human Rights hat nun eine Kampagne für ukrainische Zivilisten in russischer Gefangenschaft gestartet.
Viele zivile Gefangene, wenig Aufmerksamkeit
Dafür hat die ukrainische Nichtregierungsorganisation die Namen von mehr als 1100 Gefangenen zusammengetragen. Insbesondere auf die Schicksale verschleppter erwachsener Zivilisten richte sich bislang nur sehr wenig Aufmerksamkeit, sagt Gesine Dornblüth.
"Die Macher der Kampagne hoffen zumindest, dass die Menschen weniger misshandelt werden, wenn über sie geredet wird."
Unser Bild zeigt eine Frau aus dem Dorf Dymer, deren Enkel zu Beginn des Krieges von russischen Soldaten verschleppt worden ist – mit 43 weiteren Männern.