Sitzt ein Mensch in Deutschland unschuldig im Gefängnis, bekommt er aktuell ein Schmerzensgeld von 25 Euro pro Tag – egal, wie lange die Person in Haft war. Der Bundesrat hat beschlossen: Der Tagessatz soll auf 75 Euro erhöht werden – und muss jetzt entscheiden, wie es weiter geht.
25 Euro pro Hafttag: Das ist die aktuelle Höhe der Entschädigung für Menschen, die unschuldig in einem deutschen Gefängnis saßen. Der Bundesrat hat heute beschlossen: Der Tagessatz soll auf 75 Euro angehoben werden. Der Gesetzentwurf wird demnach dem Bundestag vorgelegt.
Auch, wenn ein Tagessatz von 75 Euro für einen Rechtsstaat keine sonderliche Glanzleistung sei, würde sich der Tagessatz langsam an das durchschnittliche Nettoeinkommen der Bevölkerung annähern, meint Udo Vetter, Rechtsanwalt und Experte für Strafrecht. Auch, wenn das nur mühsam passiere.
"75 Euro sind immer noch kein Ruhmesblatt für einen Rechtsstaat."
2002 lag die Höhe der Entschädigung bei 11 Euro pro Tag. Trotzdem sollte beim Berechnen des Schmerzensgeldes, auch der individuelle Lebensstandard der unschuldig inhaftierten Person berücksichtigt werden, meint er.
Beim Einkommenssteuerrecht zum Beispiel müssen Menschen, die mehr verdienen, auch mehr Steuern zahlen. Ähnlich sollte das beim Tagessatz für Justizopfer sein. Denn: Hatte eine Person vor ihrer unberechtigten Inhaftierung ein höheres Einkommen, hat sie durch die Zeit im Gefängnis auch höhere Geldeinbußen.
"In der Regel dauert die Aufhebung einer falschen Verurteilung drei Jahre und neun Monate, zusätzlich zur Untersuchungshaft. Da ist ein Satz von 75 Euro immer noch besser als die vorherigen 25 Euro."
Durchschnittlich dauert es drei Jahre und neun Monate, bis eine falsche Verurteilung wieder aufgehoben werde, erklärt der Rechtsanwalt. Hinzu komme noch die Zeit in Untersuchungshaft.
Wie viele Justizopfer es deutschlandweit gebe, sei nicht klar. Denn: Es gibt keine offizielle Statistik dazu – Justiz ist Aufgabe der Bundesländer. Udo Vetter schätzt, dass es in den meisten Bundesländern mehr als Tausend Justizopfer pro Jahr gebe. Alleine pro Tag würden Dutzende Menschen zu einer kurzen Untersuchungshaft verurteilt – ihre Unschuld wird erst Monate später festgestellt.
Um eine höhere Entschädigung zu klagen, ist mühsam
Das Schmerzensgeld steht ihnen allen zu, erklärt er. Zusätzlich haben Justizopfer auch die Möglichkeit, einen Verdienstausfall oder Ähnliches einzuklagen – zumindest in der Theorie.
"Die Summen der Entschädigungen fallen sehr klein aus. Da wird jeder Cent umgedreht."
Denn: Klagen solcher Art seien sehr schwierig, mühsam und vor allem anstrengend, berichtet Udo Vetter aus eigener Erfahrung als Rechtsanwalt. Und dann würden die Entschädigungssummen vergleichsweise klein ausfallen. Außerdem bedeutet jede Klage, eine neue Runde im Kreislauf der Bürokratie.