Die Zahlen steigen: Auch in renommierten Fachzeitschriften werden zunehmend gefälschte Artikel veröffentlicht. Wie kann das sein – und was passiert, wenn so ein Fall auffliegt?
Wer an der Uni eine wissenschaftliche Karriere anpeilt, kennt das Sprichwort: "Publish or perish" – "Publiziere oder gehe unter". Wer sich auf eine Stelle bewirbt, in der Hierarchie aufsteigen will oder vielleicht mal eine Professur ergattern möchte, die oder der muss möglichst viele Veröffentlichungen in möglichst renommierten Fachzeitungen vorweisen können. Aber auch Publikationen in weniger renommierten Zeitungen oder Onlineportalen sind besser als nichts. Manche Leute denken sich sogar: Wozu soll ich mühsam einen echten Artikel schreiben? Ein Fake-Artikel tut es doch auch.
Paper Mills: Unternehmen liefern Fake-Artikel
Und der Betrug mit Fake-Artikeln boomt offenbar. Das stellt die renommierte Fachzeitung Nature gerade fest: Zwei Prozent aller jährlich weltweit publizierten wissenschaftlichen Artikel könnten demnach Fake sein. In Fächern wie Biologie und Medizin sind es sogar drei Prozent. Es gibt inzwischen sogar Unternehmen, die sich auf diese Fake-Artikel spezialisiert haben – sogenannte Paper Mills. Sie erstellen im großen Stil gefälschte wissenschaftliche Artikel.
So kommen die falschen Artikel in die Fachzeitung
Das Ganze läuft so ab: Die Dienstleister basteln ein Paper zusammen, zum Beispiel als kleine Variation einer bereits vorhandenen Arbeit. Dieses Paper reichen die Paper Mills bei etlichen wissenschaftlichen Zeitschriften oder Portalen ein, vor allem bei Open-Access-Zeitschriften. Sie nennen dabei auch gleich einen möglichen Gutachter, der das Paper gegenliest.
"Und der Witz bei der ganzen Sache: Ich kann als Trickser bei so einem Paper aus einer Paper Mill die angebliche Autor- oder Mitautorschaft kaufen."
Am Ende kann sogar der eigene Name im Autorenfeld stehen, wenn alles rund läuft – also dann, "wenn eine Zeitschrift den Artikel annimmt und publiziert und entweder auf den Fake-Gutachter reinfällt oder halt eh nicht so genau hinguckt", sagt Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter Michael Gessat.
Dass solche Fakes nicht auffliegen, liegt in der Regel daran, dass täglich eine ganze Flut von Veröffentlichungen erscheint – auch zu sehr kleinteiligen und speziellen Themen. Deshalb werden vermutlich nicht alle aufmerksam gelesen.
Software spürt Fake-Artikel auf
Doch es gibt Hoffnung: Mittlerweile gibt es einige Fake-Artikel-Jäger, die mit spezieller Software versuchen, gefälschte Texte zu erkennen. Das kann zum Beispiel klappen, wenn es in einem Artikel starke textliche Ähnlichkeiten gibt zu bereits als Fake erkannten Artikeln, erklärt Michael Gessat. Wenn in dem Text bestimmte Messreihen oder Diagramme wiederverwendet worden sind. Oder wenn ein Autor, der angeblich an einer Klinik arbeitet, eine private Emailadresse angibt.
"Erfahrungsgemäß höchst verdächtig ist es auch, wenn ein Autor angeblich an einer Klinik arbeitet, aber eine private Emailadresse angibt."
Das Problem: Für die Faker selbst gibt es häufig keine Konsequenzen, wenn solche gefälschten Artikel auffliegen. Die wissenschaftlichen Zeitschriften wiederum ziehen nachweislich fehlerhafte Artikel nachträglich zurück. In der größten Datenbank solcher "Retractions" sind allerdings bei einer Gesamtzahl von 44.000 zurückgezogenen Artikeln gerade mal 3.000 als "Paper Mill"-Erzeugnisse gekennzeichnet.
Vermutlich hohe Dunkelziffer
Die Fake-Jäger vermuten eine riesige Dunkelziffer. Das Problem habe in seiner Größenordnung offenbar die Kontrollsysteme der Publisher "überwältigt", sagt Michael Gessat. Und er geht davon aus, dass das Ganze durch die neuen KI-Möglichkeiten eine noch größere Dimension erreichen wird.