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Der DFB hat sich in der Vergangenheit deutlich gegen Rassismus positioniert – und viel Geld für Kampagnen ausgegeben. Demnach gibt es Rassismus vor allem auf den Tribünen. Wenn wir aber genau hinschauen, dann ziehen sich rassistische Strukturen durch viele Ebenen des Fußballs: Funktionäre, Schiris, Medien, Spieler, Trainer und Zuschauer können sich diesen offenbar nur schwer entziehen, zeigen Studien.

Wenn über Rassismus im Fußball berichtet wird, geht es häufig um Rassismus, der vom Publikum ausgeht: Affenlaute auf den Rängen oder Hetze gegen schwarze Spieler in sozialen Medien. Doch Rassismus ist für die Öffentlichkeit häufig kaum sichtbar, sagt Sportjournalist Ronny Blaschke. Er hat für diese Aussage Studien zum Thema Rassismus im Fußball analysiert. Aus seiner gesamten Recherche zu dem Thema hat er außerdem das Buch "Spielfeld der Herrenmenschen: Kolonialismus und Rassismus im Fußball" geschrieben.

Weiße Spieler als Sechser und Zehner, schwarze Spieler im Sturm und außen

Das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung, kurz BIM, hat sich mit den Positionen der Spieler befasst. Es gibt Positionen, die allgemein mit Führungsqualitäten, Spielintelligenz und Weitsicht verknüpft werden: Das ist der Spielgestalter mit der Nummer zehn oder das defensive Mittelfeld – die Nummer sechs. Auf diesen Positionen waren laut der Studie überproportional häufig weiße Spieler vertreten.

"Die Stürmer oder die Außenbahnen, wo man viel laufen muss – auf den Positionen gibt es überproportional häufig schwarze Spieler."
Ronny Blaschke, Sportjournalist

Anders sieht es auf den Positionen aus, die mit Kraft, Ausdauer und Temperament verbunden werden: Als Stürmer und auf den Außenbahnen waren überproportional häufig schwarze Spieler vertreten. Der rassistische Mythos von der weißen intellektuellen Überlegenheit und der schwarzen körperlichen Überlegenheit hält sich in der westlichen Gesellschaft schon seit Jahrhunderten, sagt Ronny Blaschke.

Rassistische Mythen – auch in den Medien

Für Ronny Blaschke sind Zuschreibungen, die Menschen einer Hautfarbe gesellschaftlich gemacht werden, oft auch der Grund, warum im Nachwuchsbereich Spieler für bestimmte Positionen rekrutiert und ausgebildet werden. Diese Zuschreibungen untermauert auch eine Studie, die sich mit Sportjournalismus befasst hat. In der Studie wurden die Kommentator*innen bei Fußballspielen in England, Spanien, Italien und Frankreich untersucht.

"Wenn Kommentatoren über Intelligenz und Arbeitsmoral gesprochen haben, dann bekam ein weißer Spieler das Lob mit 60 Prozent Wahrscheinlichkeit, ein schwarzer nur mit 40 Prozent."
Ronny Blaschke, Sportjournalist

Das Ergebnis: Auch in den Medien werden Stereotype reproduziert. Wenn Kommentator*innen über Intelligenz und Arbeitsmoral sprachen, dann bekam ein weißer Spieler mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent das Lob, ein Schwarzer nur mit einer von 40 Prozent. Beim Thema Kraft war es wiederum sieben (!) Mal wahrscheinlicher, dass sie über einen schwarzen Spieler sprachen.

Anzahl von People of Color als Entscheidungsträger im Fußball? Sehr gering.

Bei den Sportjournalist*innen, also seinen Kolleginnen und Kollegen, sagt Ronny Blaschke, sind Menschen mit Einwanderungsgeschichte stark unterrepräsentiert. Und das gelte für alle Bereiche, in denen wichtige Entscheidungen im Fußball getroffen werden. Die Fußballindustrie verteilt ihre Macht auf mehrere hundert Vorstände, Geschäftsführer oder Aufsichtsräte.

Die Zahl schwarzer Menschen lässt sich dort an zwei Händen abzählen, erklärt Ronny Blaschke. In England schafften es in fast 150 Jahren nur neun nicht-weiße Schiedsrichter in die obersten Spielklassen. Und im Rest Europas sind weniger als zehn schwarze Trainer in den Spitzenligen aktiv.

Diversitätsquoten oder Stipendien für nicht-weiße Funktionäre?

Nach so einer langen Zeit des Kolonialismus könnten die Akteure im Fußball über "Affirmative Action" diskutieren, also über eine bevorzugte Behandlung von marginalisierten Gruppen, findet Ronny Blaschke. Möglichkeiten für "Affirmative Action" wären beispielsweise Stipendien oder Mentorenprogramme für nicht-weiße Schiedsrichter*innen oder Funktionäre – und vielleicht auch Diversitätsquoten.

Ein schon existierendes Beispiel, bei dem eine Diversitätsquote eingeführt wurde, ist das Auswahlverfahren der amerikanischen Football-Liga (NFL) für neue Trainer. Die Teams haben in der NFL die Verpflichtung, auch nicht-weiße Kandidaten zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Seit der Einführung dieser Regel ist die Zahl schwarzer Trainer in der NFL gestiegen, erklärt Ronny Blaschke.

"Vielleicht könnte der deutsche Fußball vom American Football lernen."
Ronny Blaschke

Trotz einer Quotenregelung und einer sichtbaren Änderung bei den Zahlen werden die Akteur*innen dennoch weiterhin mit Diskriminierung konfrontiert. Selbst wenn eine oder zwei schwarze Personen mithilfe einer Quote in einen Vorstand oder ein Schiedsgericht aufrücken, bedeutet das nicht, dass sie sich dort auch entfalten können, weiß Ronny Blaschke.

Trotzdem sei es wichtig und überfällig, dass im deutschen Fußball endlich eine Debatte zu den Themen Rassismus und Diskriminierung – auch auf Funktionärsebene und bei den Schiedsrichtern – gestartet wird, findet der Sportjournalist.

Shownotes
Funktionäre, Schiris, Medien...
Fußball: Rassismus auf vielen Ebenen
vom 24. Juni 2024
Moderatorin: 
Anke van de Weyer
Gesprächspartner: 
Ronny Blaschke, Sportjournalist und Autor